TV-Ansprache von Kanzler Scholz „Wir verteidigen Recht und Freiheit - an der Seite der Angegriffenen“

Berlin · Bundeskanzler Olaf Scholz wendet sich per TV-Ansprache zur besten Sendezeit an die Deutschen. Der SPD-Politiker schwört das Land auf seine Linie ein: Maximale Unterstützung für die Ukraine, aber keine Beteiligung am Krieg. Und äußert Verständnis für große Ängste.

 Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Fernsehansprache an die Nation zum Krieg in der Ukraine.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Fernsehansprache an die Nation zum Krieg in der Ukraine.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Olaf Scholz ist kein Mann der ganz großen Worte. Ähnlich wie seiner Vorgängerin Angela Merkel sind dem Kanzler emotional aufgeladene Reden und Auftritte suspekt. Und doch wendet sich der Regierungschef neben der traditionellen Neujahrsansprache nun schon zum zweiten Mal in seiner fünfmonatigen Amtszeit zur besten Sendezeit an das deutsche Volk.

Am Jahrestag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg vor 77 Jahren begründet Scholz die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriff mit der historischen deutschen Verantwortung. „Aus der katastrophalen Geschichte unseres Landes zwischen 1933 und 1945 haben wir eine zentrale Lehre gezogen. Sie lautet: ,Nie wieder!'“, sagt Scholz. In der gegenwärtigen Lage könne dies nur bedeuten: „Wir verteidigen Recht und Freiheit - an der Seite der Angegriffenen.“

Freiheit und Sicherheit würden siegen, so wie Freiheit und Sicherheit vor 77 Jahren über Unfreiheit, Gewalt und Diktatur triumphiert haben, sagt der Regierungschef mit Verweis auf das Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Der russische Präsident Wladimir Putin werde den Krieg nicht gewinnen, die Ukraine werde bestehen. Dazu nach Kräften beizutragen, bedeute heutzutage „Nie wieder“.

Der Bundeskanzler bezeichnet Debatten über die deutsche Militärhilfe und Ängste vor einer dadurch ausgelösten Ausweitung des Krieges aber als legitim. Zugleich gelte: „Angst darf uns nicht lähmen.“ Deutschland und die Nato verteidigten Recht und Freiheit an der Seite der Angegriffenen. „Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor. Das nicht zu tun, hieße zu kapitulieren vor blanker Gewalt - und den Aggressor zu bestärken.“

Der Kanzler nennt vier Grundsätze, an denen sich die deutsche Politik orientiere: So werde es keine deutschen Alleingänge geben; alles werde „auf das Engste“ mit den Bündnispartnern abgestimmt. Keinesfalls auch dürfe die Nato Kriegspartei werden. Darüber hinaus achte Deutschland darauf, seine eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhalten. Deshalb werde auch die Bundeswehr besser ausgestattet. Außerdem werde Deutschland nichts unternehmen, was dem Land und den Partnern mehr schade als Russland. Es ist auch ein Verweis auf die zurückhaltende Energie-Embargo-Politik der deutschen Regierung.

Scholz erinnert auch daran, dass Russen und Ukrainer im Zweiten Weltkrieg gemeinsam kämpften, um den Nationalsozialismus niederzuringen. Nun jedoch wolle Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine unterwerfen, „ihre Kultur und ihre Identität vernichten“. Dass Putin dies selbst mit dem Kampf gegen die Nazis vergleicht, nennt Scholz „geschichtsverfälschend und infam“.

Der Regierungschef verweist in seiner TV-Ansprache auch auf die Sanktionen gegen Russland, die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und die Waffenlieferungen, um die Ukraine zu unterstützen. Zugleich geht Scholz auf die Sorge ein, der Krieg Russlands gegen die Ukraine könne sich auf andere Länder ausweiten. „Es wäre falsch, das einfach abzutun. Solche Sorgen müssen ausgesprochen werden können.“ Gleichzeitig gelte aber: „Angst darf uns nicht lähmen.“ Dabei wiederholt der Bundeskanzler aber auch den Grundsatz, dass es keine Entscheidungen geben werde, welche die Nato selbst zur Kriegspartei machen würden.“ Damit verteidigt der SPD-Politiker seine Linie, bei der Unterstützung der Ukraine „nicht einfach alles, was der eine oder die andere gerade fordert“, zu tun.

Scholz sah sich in den letzten Wochen der Kritik ausgesetzt, seine Politik in der Ukraine-Krise nicht ausreichend zu begründen. Daraufhin startete er eine Kommunikationsoffensive mit Interviews, TV-Auftritten, markigen Reden bei Wahlkampfveranstaltungen und nun der TV-Ansprache zur besten Sendezeit. Auch die diplomatischen Verstimmungen zwischen Kiew und Berlin überschatteten die vergangenen Wochen. Von einem möglichen Besuch in der Ukraine spricht Scholz aber auch am Sonntag nicht. Ob er reisen wird, bleibt weiter offen.

Die Rede wird zu folgenden Uhrzeiten ausgestrahlt:

- 18.45 Uhr bei RTL

- 19.00 Uhr bei n-tv

- 19.30 Uhr im ZDF

- 20.20 Uhr nach der „Tagesschau“ in der ARD

(mün)
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