Nach Absage von Auftritt in Gaggenau Türkischer Justizminister schimpft über Deutschland

Istanbul · Der türkische Justizminister Bekir Bozdag hat Deutschland vorgeworfen, Menschenrechte "mit Füßen zu treten". Zugleich bezeichnete Bozdag die Absage seines Auftritts in Gaggenau erneut als "faschistisches Vorgehen".

 Bekir Bozdag mit dem türkischen Präsidenten Erdogan (Archivfoto).

Bekir Bozdag mit dem türkischen Präsidenten Erdogan (Archivfoto).

Foto: rtr, MS/EMS/HL

"Das Vorgehen gegen uns ist ein faschistisches Vorgehen und eines, das demokratische Werte verletzt.", sagte Bozdag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Es tritt die deutsche Verfassung und die Menschenrechtsverträge, an die Deutschland gebunden ist, mit Füßen." Bozdag trat in der zentralanatolischen Stadt Yozgat auf.

Der türkische Justizminister Bekir Bozdag hatte als Reaktion auf den abgesagten Auftritt auch ein Treffen mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas (SPD) abgesagt. Nicht nur er, sondern auch der türkische Wirtschaftsminister hatten diese Woche Absagen zu Wahlauftritten in Deutschland hinnehmen müssen. Das hatte in Ankara einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Bozdag bemängelte zudem, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht von der Absage der Ministerauftritte durch die Kommunalbehörden in drei deutschen Städten distanziert habe. Merkel und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hätten von Respekt für die Meinungsfreiheit gesprochen und davon, dass die Genehmigung der Veranstaltungen allein bei den örtlichen Behörden gelegen habe. "Aber wenn man genau hinschaut, haben sie die Entscheidung nicht kritisiert", sagte Bozdag. "Sie haben nicht gesagt, dass die Entscheidung, welche die Behörden getroffen haben, falsch ist."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), bezeichnete die Reaktionen der Türkei als "völlig überzogen" kritisiert. "Keinem der beiden Länder ist mit der derzeitigen politischen Eskalation gedient", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" vom Samstag zu den deutsch-türkischen Beziehungen. "Umso verstörender ist es, dass ein vernünftiger Dialog mit der türkischen Seite derzeit nicht möglich scheint", sagte sie.

Die SPD-Politikerin verteidigte vor diesem Hintergrund die Entscheidung der Städte Köln und Gaggenau, die örtlichen Auftritte türkischer Regierungsmitglieder zu untersagen. Es sei Sache der Kommunen und Sicherheitsbehörden, zu entscheiden, ob Sicherheitsbedenken bestünden.

Der Deutsche Städtetag forderte die Bundesregierung auf, sich im Streit um die Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsvertreter klar zu positionieren. "Dieses Problem darf nicht bei den Rathäusern abgeladen werden. Da sind Außenpolitik und Diplomatie gefragt", sagte der Vize-Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, unserer Redaktion.

Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte die Bundesregierung auf, klar Stellung zu beziehen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Kraft sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, die Entscheidung über Auftritte türkischer Regierungsmitglieder dürfe nicht an den Kommunen hängenbleiben.

Derweil hat sich die niederländische Regierung gegen eine geplante Wahlkampfveranstaltung mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu ausgesprochen. Die für den 11. März geplante politische Kundgebung in Rotterdam sei aus Sicht seiner Regierung "unerwünscht", schrieb Ministerpräsident Mark Rutte am Freitag im sozialen Netzwerk Facebook.

"Wir sind der Ansicht, dass der öffentliche Raum in den Niederlanden nicht der richtige Ort für politische Kampagnen eines anderen Landes sind", schrieb Rutte. Das niederländische Außenministerium kündigte an, der türkischen Regierung diese Haltung zu übermitteln.

Ein türkisch-niederländischer Verein hatte am Freitag angekündigt, dass Außenminister Cavusoglu bei der Veranstaltung in Rotterdam Werbung für die Verfassungsreform des türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan machen wolle. Das Referendum findet Mitte April statt, stimmberechtigt sind auch Türken in den Niederlanden.

Gaggenau - Pressestimmen zur Absage an türkischen Minister
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Pressestimmen: "Man ist geneigt, vor der Stadt Gaggenau den Hut zu ziehen"

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Bozdag kritisierte auch die Niederlande. Damit wolle die niederländische Regierung kurz vor der dortigen Wahl um Stimmen werben, was ein "großer Fehler" sei, sagte Bozdag. Für ihn sei es "sehr klar", dass einige Länder der Europäischen Union gegen die geplante Verfassungsänderung in der Türkei seien, weil sie kein Interesse an einer stabilen und starken Türkei hätten, sagte Bozdag.

(das/dpa/AFP)
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