Spitzelvorwürfe Bundesanwalt prüft Verdacht gegen türkischen Geheimdienst

Karlsruhe · Der türkische Geheimdienst soll Hunderte Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben, viele davon in Nordrhein-Westfalen. Jetzt schaltet sich die Bundesanwaltschaft ein.

 Schild am Eingang der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (Symbolbild).

Schild am Eingang der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe (Symbolbild).

Foto: dpa, ua pat

Der Ermittlungserfolg werde davon abhängen, was die deutschen Spionageabwehrbehörden mitteilten, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Dienstag in Karlsruhe. Die Ermittlungen richteten sich gegen unbekannte MIT-Angehörige. Nach deutschen Behördenangaben sammelte der türkische Geheimdienst MIT Informationen über rund 300 Menschen und Einrichtungen mit Bezug zur Bewegung des Geistlichen Fethullah Gülen, den Ankara für den gescheiterten Putsch im Juli verantwortlich macht.

Der MIT hatte laut "Süddeutscher Zeitung" sowie West- und Norddeutschem Rundfunk am Rande der Sicherheitskonferenz in München im Februar eine Liste mit Hunderten Namen, Adressen, Telefonnummern und teilweise Fotos von angeblichen Gülen-Unterstützern an den Präsidenten des Bundesnachrichtendiensts (BND), Bruno Kahl, übergeben. Dieser gab sie demnach an die Bundesregierung, den Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt sowie die Polizeibehörden der Länder weiter.

Auch die Namen von rund 140 Personen aus Nordrhein-Westfalen stehen laut Landeskriminalamt auf einer Liste mit angeblichen Anhängern der Gülen-Bewegung. Diese Aufstellung habe man vom Bundeskriminalamt erhalten und den Staatsschutzstellen in NRW weitergegeben, sagte ein LKA-Sprecher. Von dort aus seien die betroffenen Personen informiert worden, "damit sie sich nicht unbedarft in eine gefährliche Situation begeben". Sie würden etwa "unterrichtet, dass es möglicherweise mit Risiken verbunden sein könnte, wenn sie in die Türkei reisen".

Ob die örtlichen Behörden in NRW schon alle rund 140 Personen über eine solche "Gefährdetenansprache" erreichen konnten, war dem LKA nicht bekannt. Nähere Angaben zu Betroffenen und zum Umfang der gesammelten Informationen machte der Sprecher nicht.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich empört: "Das kann nicht die Zukunft des deutsch-türkischen Verhältnisses sein." Man habe der Türkei schon mehrfach gesagt, dass so etwas nicht gehe. "Unabhängig davon, wie man zu der Gülen-Bewegung steht, hier gilt deutsches Recht, und hier werden nicht Bürger, die hier wohnen, von ausländischen Staaten ausspioniert."

Auch sein niedersächsischer Kollege Pistorius beklagte: "Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Intensität und Rücksichtslosigkeit auch auf fremden Staatsgebiet dort lebende Menschen ausgeforscht werden." Dies sei unerträglich und inakzeptabel." Es sei "eine fast schon paranoid zu nennende Verschwörungsangst, die sich da breitmacht, alle Gülen-Anhänger zu Terroristen und zu Staatsfeinden zu erklären, ohne dass es dafür auch nur den geringsten Anhaltspunkt gibt".

Bereits seit einiger Zeit belasten Spitzelvorwürfe das ohnehin extrem angespannte deutsch-türkische Verhältnis. Die Bundesanwaltschaft ermittelt bereits wegen mutmaßlicher Spionageaktivitäten im bundesweiten Dachverband der türkischen Moscheegemeinden (Ditib). Imame des Verbands sollen im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet Informationen über angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung an Ankara übermittelt haben.

(oko/AFP/dpa/reu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort