Besuch von Çavusoglu in Berlin Türkische Gemeinde in Deutschland kritisiert Reisewarnung

Berlin · Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die türkische Wirtschaft, dementsprechend schnell möchte das Land öffnen. Deutschland zögert aus Sorge vor steigenden Infektionszahlen - auch zum Unmut der türkischen Gemeinde hierzulande.

 Maas und Çavusoglu in Berlin.

Maas und Çavusoglu in Berlin.

Foto: AP/Cem Ozdel

Mevlüt Çavusoglu, der Außenminister der Türkei, hat sich mit schwerem Gepäck aufgemacht nach Berlin, weil dort „mein Freund Heiko“, Bundesaußenminister Maas, arbeitet und es – gerade jetzt zu Corona-Zeiten – einiges zu besprechen gibt. Çavusoglu hat Tourismusminister Mehmet Ersoy mitgebracht. Ersoy soll mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die Lage erörtern. Die Türken dringen darauf, dass die Bundesregierung ihre Reisewarnung für die Türkei aufhebt.

Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für die türkische Wirtschaft: fünf Millionen Besucher aus Deutschland allein im vergangenen Jahr. Çavusoglu versichert: „Die Türkei ist ein sicheres Land.“ Man habe der Bundesregierung „wichtige Daten“ über die Lage im Lande überreicht.

„Freund Heiko“ hört die Botschaft wohl, will aber nichts überstürzen. Deutschland handele im Einklang mit den europäischen Partnern. Die sogenannte Positivliste jener Länder, in die deutsche Urlauber wieder reisen dürfen, werde alle 14 Tage überprüft. Auch für ein EU-Land wie Schweden gelte derzeit eine Reisewarnung. „Wir wollen nicht, dass deutsche Urlauber mit dem Virus zurückkommen“, so Maas.

Womöglich tragen zur deutschen Skepsis auch Berichte bei, wonach deutsche Urlauber in türkische Krankenhäuser sogar zwangseingewiesen würden. Mehr noch: Sie würden dort mit Medikamenten behandelt, die in Deutschland nicht zugelassen seien. Çavusoglu weist den Vorwurf zurück: „Kein Tourist wird gezwungen, dieses eine oder das andere Medikament zu nehmen.“ Niemand werde in der Türkei zu einer medizinischen Behandlung gezwungen, die er nicht wolle.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sagte unserer Redaktion: „Die Reisewarnung für die Türkei ist nicht gerechtfertigt, wenn sie für andere Staaten mit großer Corona-Problematik nicht mehr gilt. Das deutsch-türkische Verhältnis ist aktuell wie immer: Es steht auf der Kippe, kann sich aber sehr schnell ändern, wenn Deutschland seine Staatsangehörigen reisen lässt.“

Doch die Menschen bräuchten Klarheit, so Sofuoglu: „Wer als Deutscher in die Türkei in Urlaub fährt oder dort Familie besuchen will, muss wissen, was ihn dort erwartet. Der Quarantäne-Zwang bei Rückkehr nach Deutschland hält manchen Urlauber oder Besucher von einer Türkei-Reise ab.“ Das Angebot der türkischen Seite, deutsche Urlauber vor ihrem Rückflug nach Deutschland kostenlos auf Corona zu testen, habe Bewegung in die Sache bringen sollen. Sofuoglu: „Schade, dass sich dabei bislang nichts bewegt hat.“

Wann der Bundesaußenminister denn endlich in die Türkei komme, wird er gefragt. Çavusoglu habe ihn doch eingeladen. Maas ist erst einmal mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und dem deutschen Vorsitz im UN-Sicherheitsrat beschäftigt, aber er würde sich freuen, wenn er „in absehbarer Zeit“ in die Türkei käme. Çavusoglu schmunzelt, als wollte er sagen: Wenn dann die deutsche Reisewarnung aufgehoben ist, umso besser. 

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort