Steinmeier, Steinbrück, Gabriel Tristesse bei der SPD-Troika

Berlin · Kanzlerin Merkel eilt von Umfragehoch zu Umfragehoch. Die drei potenziellen SPD-Bewerber für das Regierungsamt können die Partei dagegen kaum begeistern. Und SPD-Chef Gabriel irritiert die Frauen.

 Die SPD-Troika, bestehend aus Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.

Die SPD-Troika, bestehend aus Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.

Foto: dapd, Axel Schmidt

Am Freitagvormittag war Sigmar Gabriel mal wieder "on air". Zwischen 10 und 11 Uhr hat sich der SPD-Vorsitzende beim Kurznachrichtendienst Twitter den Fragen der Internetgemeinde gestellt. Der junge Vater, der sich offiziell Anfang Juli aus der Politik zurückgezogen hat, um mehr Zeit mit seiner drei Monate alten Tochter Marie zu verbringen, durfte den Wickeltisch mal wieder außer Acht lassen und Politik machen. Von einer Elternzeit ist zumindest nach außen wenig zu sehen.

Erst vor ein paar Tagen hatte Gabriel mit einem Thesenpapier zur Regulierung der Banken für Aufsehen gesorgt, später unterstützte er in seiner Heimat Goslar den niedersächsischen Spitzenkandidaten Stephan Weil im Wahlkampf. Auch im Internet-Netzwerk Facebook hinterlässt Gabriel eifrig Thesen und diskutiert mit Nutzern. In seiner Wahlheimat Magdeburg — dort arbeitet Gabriels Lebensgefährtin Anke Stadler als Zahnärztin — empfängt der SPD-Chef Vertraute und Journalisten. Am Montag reist er wieder zu Terminen nach Berlin.

Sigmar Gabriel ist präsenter denn je. Schon fühlt sich die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Evelyne Gebhardt, ermuntert zu erklären, dass die weiblichen Parteifreunde auch bei ihrem Vorsitzenden "Elternzeit" einfordern würden. Schließlich könne Gabriel das Bild einer "partnerschaftlichen Familie" vorleben. Im Umfeld von Gabriel heißt es dagegen, der 52-Jährige genieße sein Vaterglück in vollen Zügen. Von einer "politikfreien" Zeit sei nie die Rede gewesen.

Unmut über Führungsspitze

Die Irritationen über den Parteichef passen dennoch gut in das Bild allgemeinen Unmuts über die Führungsspitze. Die selbst ernannte "Troika", aus den möglichen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel schafft es bisher nicht, die im Volk beliebte Kanzlerin in die Enge zu treiben, geschweige denn Angela Merkel eine Debatte aufzuzwingen, in der sozialdemokratische Positionen sichtbar würden. Im Gegenteil: Angela Merkel, die Alleinherrscherin der Euro-Krise, lässt jedes innenpolitische Thema, das zu einer Profilierung der Genossen beitragen könnte, abprallen. Der Mindestlohn ist zwischen Lüneburg und Freiburg in so vielen Branchen gesetzlicher Standard, wie es selbst unter Rot-Grün nie der Fall war.

In der Energiepolitik schmiedet Merkels Kommunikationstalent Peter Altmaier (auch Umweltminister) überparteiliche Kompromisse, etwa bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager. Und in der Europa-Politik wird das Land de facto von einer Großen Koalition regiert. Die wichtigsten europapolitischen Beschlüsse der schwarz-gelben Koalition trafen stets auf Zustimmung, zumindest Enthaltung, in der SPD-Bundestagsfraktion. Dass die SPD weiterhin drei Männer gegen Merkel stellt und sich nicht für einen Kandidaten entscheidet, trifft zusätzlich auf Unmut an der Partei-Basis. "Die Troika paralysiert die SPD", klagt ein SPD-Landesminister. Ein führender Bundestagsabgeordneter betont: "Wir wissen ja nicht einmal, wer von den dreien wirklich will."

Wenig Zustimmung in Umfragen

Die jüngste Umfrage beziffert die Tristesse. Steinmeier, Steinbrück und Gabriel erhalten deutlich weniger Zustimmung als Amtsinhaberin Angela Merkel. Nach dem "Wahltrend" des Forsa-Instituts würde SPD-Chef Sigmar Gabriel im direkten Duell nur 17 Prozent der Stimmen erhalten, Merkel käme auf 59 Prozent. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück hätte bei einer Direktwahl 26 Prozent, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier immerhin 27 Prozent.

Hat die SPD sich etwa schon aufgegeben? Keineswegs, versichern die Berater im Umfeld der Kandidaten. Entschieden sei noch gar nichts. Ob Merkel gestärkt aus der Europa-Krise herauskomme, sei nicht ausgemacht. Und doch sind Abnutzungserscheinungen in der Troika spürbar. Um Peer Steinbrück, der noch vor einem Jahr von Altkanzler Helmut Schmidt als idealer Kanzlerkandidat geadelt wurde und fortan kaum eine öffentliche Diskussionsrunde ausließ, ist es schon vor der Sommerpause ruhig geworden. Steinbrück wisse, dass die Partei sich nie hinter ihm versammeln werde, sagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter. Peer Steinbrück will sich aber nicht verbiegen, um seiner Partei zu gefallen. "Peer will gerufen und geliebt werden", sagt ein Genosse. In der Fraktion wird berichtet, dass dem Ex-Minister bald eine hochrangige Professur angetragen werde. An den Universitäten in Leipzig und Duisburg lehrt der Ökonom aus Hamburg bereits eifrig als Honorarprofessor. Spekulationen, dass Steinbrück mit der Kanzlerkandidatur schon abgeschlossen habe und sich wieder dem Leben als Vortragsreisender widmen wolle, machen die Runde.

Dagegen spricht, dass Steinbrück im Herbst ein Grundsatzpapier zur Regulierung der Banken vorstellen will. Auch an dem neuen Wirtschaftsplan der SPD, den ein Team rund um den früheren McKinsey-Manager und Steinmeier-Berater Markus Klimmer derzeit erarbeitet, strickt ein Mitarbeiter Steinbrücks mit. Im Herbst soll das Papier, das rund 150 Mittelständler, Manager und leitende Angestellte mit Ideen begleiten, präsentiert werden.

Das letzte Mitglied der Troika, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, hält sich in diesen Tagen auffallend raus aus den Debatten. Steinmeier urlaubt mit seiner Frau in Südtirol. Beim Wandern wolle er möglichst nicht gestört werden, hat er seinen Mitarbeitern hinterlassen. Der ruhige und bedächtige SPD-Mann, der die historische Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 verantworten musste, wolle Kraft sammeln für den Herbst, heißt es. Auch für die Kandidatur? Vieles deutet daraufhin, dass in der K-Frage zwischen dem omnipräsenten Gabriel und dem polarisierenden Steinbrück am Ende er übrig bleibt — Steinmeier.

(brö)
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