Diskriminierung Intensivmediziner verweist auf bestehenden Behindertenschutz bei Triage-Regeln

Mainz · Wer wird behandelt, wenn es auf der Intensivstation mehr Patienten als Betten gibt? Im Gespräch ist ein gesetzlicher Schutz für Behinderte. Der Intensivmediziner Uwe Janssens verweist auf die Divi-Richtlinien zur Triage.

 Ein Krankenwagen steht vor der Notaufnahme der Charité in Berlin (Archivfoto von April 2021).

Ein Krankenwagen steht vor der Notaufnahme der Charité in Berlin (Archivfoto von April 2021).

Foto: dpa/Paul Zinken

Der Intensivmediziner Uwe Janssens hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Triage begrüßt. Das Urteil der Karlsruher Richter sei "genau das gewesen, was wir in unseren Empfehlungen schon geschrieben haben", sagte der frühere Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) den ARD-"Tagesthemen" am Dienstagabend. Die Divi habe immer darauf hingewiesen, "dass bei Priorisierungsentscheidungen am Krankenbett die Behinderung oder das Alter keine Rolle spielen dürfen".

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehe er „noch keinen Anlass, an unseren Empfehlungen eine Änderung vorzunehmen“, sagte Janssens am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“. Er hoffe, dass eine Triage - eine ärztliche Entscheidung, wer bei ausgeschöpften Kapazitäten eine intensivmedizinische Behandlung erhält und wer nicht - nie notwendig sein werde, betonte Janssen.

Die Divi-Richtlinien zu diesem hypothetischen Fall seien vor kurzem aktualisiert worden und würden eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung oder chronischen Krankheit ebenso ausschließen wie etwa aufgrund des Alters oder des Impfstatus'. „Das können wir versichern, und dazu stehen wir auch“, sagte Janssens.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte auch mit Verweis auf die Behindertenrechtskonvention entschieden, der Bundestag müsse „unverzüglich“ Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage treffen. Bisher gibt es dazu keinen gesetzlichen Rahmen, sondern lediglich Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte wie die von der Divi mit anderen Fachgesellschaften ausgearbeiteten „Klinisch-ethischen Empfehlungen“. Während der Corona-Pandemie mit zum Teil ausgelasteten Intensivstationen war das Thema in den Fokus gerückt.

Die Divi-Empfehlungen sind laut Janssens im Dezember zum dritten Mal weiterentwickelt worden. Janssens warnte, dass die Entscheidung aus Karlsruhe die Entscheidungsfreiheit der Ärzte und die Bedeutung der Divi-Empfehlungen de facto einschränken könnte. "Wir hätten uns sehr gefreut, wenn das Bundesverfassungsgericht uns Ärztinnen und Ärzten mehr den Rücken gestärkt hätte, indem es ganz klar gesagt hätte, das uns das Vertrauen für solche Entscheidungen ausgesprochen wird", sagte Janssens der ARD.

Es können am Ende nicht so sein, "dass die Gesetze medizinische Kriterien vorschreiben". Das müsse dann "letztendlich schon den Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sein", sagte Janssens. Solche Fälle seien so komplex, "dass sie in keinem Gesetz der Welt das abbilden können, was sich da am Krankenbett abspielt".

(peng/dpa/AFP)
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