Saarlands Ministerpräsident Hans „Die Bilanz stimmt in den Augen der Menschen nicht“

Berlin · Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans spricht im Interview mit unserer Redaktion über Querelen in der Union und der Koalition im Bund und über mangelnde Solidarität reicherer Bundesländer.

 Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes.

Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Herr Hans, Sie kommen mit Ihren Ministerpräsidentenkollegen drei Tage in Hamburg zusammen. Der Bund will fünf Milliarden Euro für die Bildung ausgeben. Dafür muss das Grundgesetz geändert werden, weil Bildung Länderhoheit ist. Warum zögern Länder noch?

Tobias Hans Der Digitalpakt Schule greift in Zuständigkeiten der Länder ein und stellt damit einen Eingriff in den Föderalismus dar. Es gibt Länder wie das Saarland, die auf Hilfe angewiesen sind und deshalb auf eine schnelle Grundgesetzänderung drängen. Und es gibt finanziell unabhängigere Länder wie Baden-Württemberg, die noch über die Souveränität der Länder reden wollen. Das wird nicht einfach.

Und nun?

Hans Die Kunst wird sein, dass wir uns in dieser Konferenz darauf einigen, gleichwertige Lebensverhältnisse mit gleichen Chancen für Kinder überall in Deutschland zu gewährleisten und zugleich dem Bund für die konkrete Verwendung des Geldes keine goldenen Zügel in die Hand zu geben. Die Länder müssen natürlich die Hoheit in der Bildung behalten. Bei der Ausstattung der Schulen sieht das anders aus. Vielerorts ist der Gang der Kinder in die Schule eine Zeitreise, weil sie Zuhause Tablets und Smartphones haben, aber in der Schule keinen Internetanschluss. Ich baue auf die Solidarität der reicheren Länder für eine schnelle Verfassungsänderung.

Was ist der Knackpunkt der Flüchtlingspolitik, die wieder auf der Tagesordnung steht?

Hans Wir müssen die Finanzierung der Integrationskosten ab 2020 auf neue Beine stellen. Dabei brauchen wir Sicherheit über die Unterstützung des Bundes. Wir warten dringend darauf, dass das Bundesfinanzministerium etwas zur Beratung vorlegt. Die Länder leisten die Hauptarbeit bei der Integration der Flüchtlinge.

Die CDU und ihre Vorsitzende Angela Merkel sind angeschlagen. Warum taumelt die CDU derzeit als Volkspartei?

Hans Die Bilanz stimmt in den Augen der Menschen nicht, weil Querelen in der Bundesregierung die Sacharbeit überdecken. Wenn es Volksparteien nicht mehr gelingt, untereinander koalitionsfähig zu sein, dann scheitert dieses altbewährte Parteiensystem. Deswegen kann ich nur dringend an die Bundesregierung appellieren, wieder  besser zusammenzuarbeiten. Dafür wurden Union und SPD schließlich gewählt, nicht für Personalquerelen.

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Was muss geschehen?

Hans Eine Volkspartei ist besser als jede Sammlungsbewegung. Die Union hat den konservativen, den christlich-sozialen und den liberalen Pfeiler. Wir müssen unser Kernanliegen, die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt stellen. Wir kümmern uns um den Schutz des Menschen auf unserem Planeten, um saubere Luft und sauberes Wasser, aber auch um den  Schutz des ungeborenen Lebens. Die Grünen setzen sich vehement für den Artenschutz von Tieren, für den Naturschutz und den Umweltschutz ein, aber in der Debatte über das Werbeverbot für Abtreibung zum Beispiel  treten sie nicht für den Schutz des ungeborenen Lebens ein.

Bereitet Ihnen die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ des saarländischen Linksfraktionschefs Oskar Lafontaine Sorge?

Hans Es ist verblüffend, wie Oskar Lafontaine versucht, mit dem Begriff der Sammlungsbewegung darüber hinwegzutäuschen, dass er immer jemand war, der gespalten hat. Er hat seine SPD gespalten und die Linke auch. Jetzt spaltet er das linke Lager noch einmal, indem er es zersplittert mit einer sogenannten Sammlungsbewegung.

Aprospos Personalquerelen: Wie geht es mit der CDU im Bund nach der Wahl in Hessen weiter, wenn Ministerpräsident Volker Bouffier starke Verluste erleidet?

Hans: Die Politik der Bundesregierung war kein Rückenwind für die Wahlkämpfer. Der Schuss vor den Bug bei der Bayern-Wahl bedeutete klar, dass wir als Koalition und als Union wieder zur Sacharbeit zurückkehren und füreinander einstehen müssen. Meine Hoffnung für Hessen ist ein Ergebnis, das zeigt: Geschlossenheit zahlt sich aus. Dies wäre dann auch ein Garant, dass wir uns noch einmal berappeln auf Bundesebene.

Und wenn nicht? Hat die Kanzlerin den Moment für den selbstbestimmten Wechsel schon verpasst?

Hans Mein Eindruck ist, die Kanzlerin ist selbstbestimmt dabei, das Land nach vorn zu bringen, und sortiert die schwierige Lage der CDU vor der Wahl in Hessen.

Aber wie stellt sich die CDU nach dieser Wahl auf?

Hans Der Charme der Union ist: Meine Kollegen Daniel Günther und Michael Kretschmer und ich sind junge Ministerpräsidenten, wir haben aber ebenso erfahrende Politiker wie Volker Bouffier. Wir müssen auf Dauer als Volkspartei moderner werden und wieder mehr Zukunftsthemen wie zum Beispiel die Künstliche Intelligenz anpacken. Es ist auch längst nicht mehr so, dass großes Interesse etwa an einer Mitarbeit in einem CDU-Ortsverband besteht. Eltern, vor allem Frauen, können oft keine Abendtermine wahrnehmen. Zu einer modernen Partei gehören daher auch Online-Gremiensitzungen.

Wenn die CDU in Hessen verliert, kommt es am Sonntagabend vielleicht auf die jüngeren Politiker an.

Hans Das tut es auch, wenn es der CDU gut geht.

CSU-Chef Horst Seehofer hat wieder von Rücktritt gesprochen. Ist es jetzt Zeit für die Schwesterpartei, eine Entscheidung zu treffen?

Hans Die Äußerung des CSU-Vorsitzenden ist ein Beweis dafür, dass die Partei ihr schlechtes Wahlergebnis analysiert. Sie muss daraus die richtigen Schlüsse ziehen, dafür muss man den Christsozialen die Gelegenheit geben.

Also den Wechsel an der Parteispitze?

Hans Es gilt das Motto: Erst das Land, dann die Partei. Nach diesem Motto arbeitet die CSU das Wahlergebnis im Moment auf.

Wie stabil ist die große Koalition im Bund?

Hans Das einstellige Ergebnis der SPD in Bayern kann niemanden froh machen. Wir brauchen stabile Volksparteien. Wir hoffen, dass das Wahlergebnis in Hessen die Regierungsarbeit in Berlin nicht weiter schwächen wird. 

(kd)
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