Tihange 2 und Doel 3 Eklat um Reaktor-Stopp in Belgien

Berlin/Düsseldorf · Umweltministerin Hendricks bittet um die vorübergehende Stilllegung von zwei Kraftwerksblöcken. Die Brüsseler Atombehörde zeigt sich überrascht von dem Vorstoß und bezeichnet die AKW als sicher.

 Das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Foto: dpa

Der Streit um die beiden belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange spitzt sich zu. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte Belgien am Mittwoch auf, zwei als unsicher geltende Reaktorblöcke vorübergehend stillzulegen. Die belgische Regierung reagierte zunächst nicht.

Die belgische Atomaufsichtsbehörde (AFCN) äußerte sich jedoch ablehnend: "Die AFCN bleibt davon überzeugt, dass Doel 3 und Tihange 2 internationale Sicherheitsstandards einhalten." Nach Einschätzung der deutschen Reaktorsicherheitskommission (RSK) ist zwar im Normalbetrieb keine Beeinträchtigung der Reaktordruckbehälter zu erwarten; es sei aber fraglich, ob die Sicherheitsreserven auch bei einem Störfall ausreichten.

Die beiden Reaktorblöcke Doel 3 (bei Antwerpen) und Tihange 2 (bei Lüttich) machen schon seit Jahren Schlagzeilen, weil in den über 40 Jahre alten Reaktordruckbehältern Tausende feiner Risse festgestellt wurden. Trotz mehrerer Pannen wurden die Reaktorblöcke Ende 2015 wieder hochgefahren.

Die Zwischenfälle haben in NRW erhebliche Verunsicherung ausgelöst. Tihange liegt nur 60 Kilometer von Aachen entfernt. Anfang März hatte NRW zusammen mit Rheinland-Pfalz bei der EU-Kommission und den Vereinten Nationen Beschwerde gegen den Betrieb der belgischen AKW eingelegt. Das Land wird sich auch der von der Städteregion Aachen eingereichten Klage gegen Tihange 2 anschließen.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hat für die abwehrende Haltung Belgiens kein Verständnis. "Ich fordere die belgische Regierung auf, eine Kehrtwende vorzunehmen. Bröckelmeiler und Altreaktoren gehören nicht ans Netz, sondern in ein Industriemuseum", sagte der Umweltminister unserer Redaktion.

Hendricks war im Februar nach Belgien gereist, um mit der Regierung dort über die auf deutscher Seite bestehenden Sicherheitsbedenken zu reden. Nach dem jüngsten Bericht der von ihr eingeschalteten RSK wandte sie sich jetzt an Belgien mit der Bitte, "bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen die beiden Blöcke stillzulegen".

Die AFCN zeigte sich von diesem Vorstoß "überrascht". Seine Behörde sei "immer bereit, mit ihren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten", sagte AFCN-Chef Jan Bens. Voraussetzung sei jedoch, "dass es auf deutscher Seite den Willen gibt, in einer konstruktiven Weise zu kooperieren". Die Bundesregierung fahre keinen Kurs der Konfrontation, betonte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Man wolle sich nicht in belgische Angelegenheiten einmischen.

Doch habe die Bundesregierung "für den Schutz der Bevölkerung Sorge zu tragen". Falls Belgien sich entscheide, die Reaktoren herunterzufahren, könne die Stromversorgung über die Niederlande oder auch aus Deutschland gesichert werden. Weder die Bundesregierung noch die EU haben jedoch gegen den Weiterbetrieb eine rechtliche Handhabe. Die Atompolitik ist eine nationale Aufgabe; eine EU-Richtlinie gibt lediglich Rahmenbedingungen vor.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte unterdessen die Bundesregierung auf, auch die Abschaltung von AKW in Frankreich, der Schweiz und in Tschechien zu verlangen: "Rund um Deutschland stehen gefährliche Schrottreaktoren. Die Bundesregierung darf diese Risiko-Meiler nicht länger dulden." Der Europapolitiker Sven Giegold (Grüne) bezeichnete es als "Konstruktionsfehler der EU", dass nicht überall in Europa die gleichen Sicherheitsstandards gelten.

(RP)
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