Minister Guttenberg macht Nägel mit Köpfen "Tiefster Einschnitt in Bundeswehr-Geschichte"
Dresden (RPO). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat seine Pläne zur Reform der Bundeswehr konkretisiert. Die Truppe soll künftig 180.000 bis 185.000 Soldaten umfassen. Ab dem 1. Juli 2011 wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Aber der Minister hat noch viel Arbeit vor sich. Über allem steht die Frage: Was soll die Bundeswehr eigentlich leisten?
Mindestens 10.000 Soldaten sollten künftig bereitstehen, um dauerhaft zwei Auslandseinsätze parallel bestreiten zu können. Derzeit umfasst die Bundeswehr knapp 250.000 Soldaten. "Wir werden keine schöne neue Welt entwickeln und erst recht keine Luftschlösser bauen, sondern die Bundeswehr an den neuen Herausforderungen ausrichten", sagte Guttenberg.
Niemand habe sich den Beschluss zur Aussetzung der Wehrpflicht leicht gemacht, sicherheitspolitisch lasse sich der Zwangsdienst aber nicht mehr begründen.
"Tiefster Einschitt in der Geschichte"
Die anstehende Reform sei der tiefste Einschnitt in der Geschichte der Bundeswehr und werde allen sehr viel abverlangen. Die Bundeswehr müsse den Umbau mit einer Kultur der Offenheit und der Selbstkritik stemmen. "Ich will einen Dialog der Verantwortungsträger und keine Versammlung von Bedenkenträgern", betonte Guttenberg.
Er warnte zugleich davor, die Bundeswehr allein mit Blick auf die Erfahrungen am Hindukusch umzubauen. "Afghanistan allein kann nicht die Blaupause für die Neuausrichtung unserer Streitkräfte sein." Auch künftige Einsätze müssten in möglichst vielen Facetten vorausgedacht werden.
Prioritätenliste soll beim Umbau helfen
Ein neues Weißbuch solle eine Art nationale Sicherheitsstrategie formulieren und sehr viel knapper sein als der alte Leitfaden von 2006. Generalinspekteur Volker Wieker werde demnächst eine Empfehlung vorlegen für eine Prioritätenliste der Bundeswehr-Fähigkeiten.
Guttenberg deutete an, bestimmte Fähigkeiten könnten auch innerhalb Europas ausgelagert werden. Es gehe darum, welche Fähigkeiten die Bundeswehr wie dringlich vorhalten müsse und worauf sie verzichten könne. Eine weitere Frage sei, welche Fähigkeiten die Bundeswehr im europäischen Kontext wahrnehmen oder abgeben könne, sagte Guttenberg. "Dabei gibt es weder Denk- noch Planungsverbote".
Beschaffung soll verbessert werden
Auch die in der Vergangenheit völlig aus dem Ruder gelaufene Rüstungsbeschaffung will der Minister wieder unter Kontrolle bringen. Rüstungsvorhaben müssten Budget- und Zeitrahmen wieder einhalten und die versprochenen Leistungen erfüllen. In der Wehrtechnik setzt der Minister auf europäische Lösungen und eine europäische Steuerung.
"Wir brauchen ein Gesamtklima, in dem wir zu einem gemeinsamen Verständnis darüber gelangen, in welchem Maße der Erhalt industrieller Potenziale zur Sicherheitspolitik beiträgt", sagte er. Die deutsche Wehrindustrie könne ihre Fähigkeiten in den Integrationsprozess in Europa einbringen. "Made in Germany ist und bleibt ein Gütesiegel."
"Nicht auf halber Strecke kehrtmachen"
Guttenberg versicherte, dass er bei der Reform einen langen Atem haben werde. "Ich bin nicht angetreten, um auf halber Wegstrecke kehrtzumachen oder um etwa ein neues Ziel anzusteuern - auch nicht etwa eine vermeintliche wie trügerische politische Karriere." Es war spekuliert worden, der CSU-Politiker könnte nach einer Niederlage der Union bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg Kanzlerin Merkel nachfolgen.
Zur Bundeswehrstruktur kündigte Guttenberg an, dass der Einsatzführungsstab im Ministerium aufgelöst werde. Für die Auslandseinsätze solle das Einsatzführungskommando in Potsdam zuständig sein. Generalinspekteur Wieker werde dem Minister gegenüber künftig unmittelbar verantwortlich für die Einsätze sein. Wieker erhält damit eine Position ähnlich der eines Generalstabschefs, obwohl Guttenberg diese Bezeichnung vermied.
190.000 Soldaten gefordert
Eine Strukturkommission unter Führung von Arbeitsagentur-Chef Weise hatte Ende Oktober die Aussetzung der Wehrpflicht und die Verkleinerung der Truppe um 70.000 auf 180.000 Soldaten empfohlen. Unter ihnen sollen 15.000 Freiwillige sein. Union und FDP fordern eine Truppenstärke von 190.000 Soldaten. Das Bundeskabinett will Anfang Dezember über Truppenstärke und Aussetzung der Wehrpflicht entscheiden.