Überlegungen im Innenministerium zur NSA-Affäre Deutschland könnte bald in den USA zurückspionieren

In der Spionage-Affäre um den NSA-Untersuchungsausschuss erwägt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angeblich, die deutschen Geheimdienste auch gegen die USA und andere Nato-Partner spionieren zu lassen. Demnach sind die Pläne schon weit gediehen. Erstmals äußert sich auch die Kanzlerin. Sie spricht von einem ernsten Vorfall.

 Innenminister Thomas de Maizière reagiert verärgert auf die neuen Entwicklungen in der NSA-Affäre.

Innenminister Thomas de Maizière reagiert verärgert auf die neuen Entwicklungen in der NSA-Affäre.

Foto: ap

In einer internen Runde habe der für Spionageabwehr zuständige Minister von der dringenden Notwendigkeit gesprochen, künftig einen "360-Grad-Blick" zu erlangen, berichtete die Bild-Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Der Minister schließe damit ein nachrichtendienstliches Aufklären auch von verbündeten Staaten wie etwa den USA, Großbritannien und Frankreich künftig nicht mehr aus.

Bisher werden Nato-Verbündete von Seiten der Bundesregierung auf Anweisung aus dem Kanzleramt nicht aufgeklärt, heißt es in dem Bericht. Zuletzt sei die zurückhaltende Geheimdienstpraxis unter Spionageexperten jedoch zunehmend in die Kritik geraten.

In einem Geheimpapier des Bundesinnenministeriums, das der "Bild"-Zeitung vorliegt, sei von einer konkreten "Planung von Gegenmaßnahmen" die Rede. Diese sollten unter anderem die Kommunikationsüberwachung betreffen.

Unterstützung für diese Kehrtwende in der deutschen Geheimdienstpraxis komme aus der Union. "Der Fall des BND-Agenten zeigt: Wir müssen auch unsere vermeintlichen Verbündeten stärker im Fokus haben", sagte Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, der Zeitung.

Ein am Mittwoch festgenommener BND-Mitarbeiter hatte Medienberichten zufolge in Vernehmungen gestanden, einem US-Geheimdienst Informationen über den NSA-Ausschuss geliefert zu haben. Festgenommen wurde er aber zunächst wegen des Verdachts, Kontakt zum russischen Geheimdienst gesucht zu haben. Er hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gestanden, über einen Zeitraum von zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienste weitergeleitet und 25 000 Euro dafür kassiert zu haben. Die Dokumente enthielten laut BND keine besonders sensiblen Informationen.

Am frühen Montag äußerte sich erstmals Kanzlerin Angela Merkel offiziell zu der Affäre. Sie zeigte sich beunruhigt. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wonach der Mann für einen US-Geheimdienst arbeitete, dann handele es sich "um einen sehr ernsthaften Vorgang", sagte Merkel am Montag in Peking bei einer Pressekonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang. Solche Spähaktivitäten stünden für sie "in einem klaren Widerspruch zu dem, was ich unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Diensten und auch von Partnern verstehe". Der Bundesgeneralanwalt habe Ermittlungen aufgenommen, fügte die Kanzlerin hinzu.

Der Fall hatte am Wochenende für wachsende Empörung in Berlin gesorgt. Bundespräsident Joachim Gauck warnte mit deutlichen Worten, ein Unionspolitiker sprach mit Blick auf die USA von einer "digitalen Besatzungsmacht". Die Bundesregierung verlangt von den USA dringend Aufklärung.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte, es dürfe nun nichts mehr unter den Teppich gekehrt werden. "Wenn die Berichte zutreffen, dann reden wir hier nicht über Kleinigkeiten", so Steinmeier am Sonntag bei einem Besuch in der Mongolei. Deshalb müssten die USA mit ihren Möglichkeiten an einer schnellstmöglichen Aufklärung mitwirken. "Aus Eigeninteresse sollten die USA dieser Mitwirkungspflicht auch Folge leisten."

Auch Innenminister de Maizière sagte bereits am Sonntag im "Bericht aus Berlin" der ARD: "Ich erwarte jetzt eine schnelle, eindeutige Äußerung der Vereinigten Staaten von Amerika." Die Vorfälle müssen zügig aufgeklärt werden. "Erst dann können wir das Ausmaß der mutmaßlichen Spionage einschätzen."

Bundespräsident Joachim Gauck warnte vor einer weiteren Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Falls sich der Verdacht bestätige, müsse klar gemacht werden: "Jetzt reicht's auch einmal." Im ZDF betonte er, bei einer Bestätigung des Verdachts "ist das wirklich ein Spiel auch mit Freundschaft, mit enger Verbundenheit". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich während ihrer China-Reise zunächst nicht öffentlich äußern.

Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping sieht die Verantwortung bei Kanzlerin Angela Merkel: "Das ist das Ergebnis von Merkels transatlantischem Duckmäusertum."

Der Fall scheint inzwischen auch in der US-Regierung für Beunruhigung zu sorgen. Die "New York Times" zitierte am Wochenende einen Regierungsvertreter mit der Einschätzung, die Berichte über eine mindestens zweijährige Spionagetätigkeit des BND-Mitarbeiters drohten alle Reparaturarbeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis wieder zu zerstören.

(DEU dpa)
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