Kontra Tempolimit bei 120? Nein, danke
Die Frage ist nicht, ob es sinnvoll ist, mit 250 Stundenkilometern über eine deutsche Autobahn zu brettern. Das ist es natürlich nicht. Die Frage ist, ob der Staat jeden Unsinn verbieten muss.
Raucher, Impfverweigerer, Billigfleisch-Esser und Schneckenkorn richten auch Schaden an. Trotzdem schreckt der Staat hier vor Verboten zurück. Gut so. Denn ein liberaler Staat muss mit möglichst wenig Verboten auskommen.
Beim Streit um das Tempolimit geht es also um eine Güterabwägung. Ist der Nutzen des Verbots unsinniger Raserei größer als der Nutzen eines tugendhaften Staates, der seinen Bürgern vertraut und sie deshalb nur in Ausnahmefällen bevormundet? Meine Prognose: Schon weil der Nutzen „Tempolimit“ leichter zu formulieren ist als der Nutzen „liberaler Staat“, wird der öffentliche Druck früher oder später zu einem Tempolimit führen. Wer dagegen ist, wird ja heute schon als gewissenloser Verkehrsidiot diffamiert. Aber vielleicht darf man noch ein wenig über das Wie streiten.
Ich halte ein generelles Limit von 120 für unangemessen. Wer Raserei für das wesentliche Übel deutscher Autobahnen hält, sollte das Statistische Bundesamt zur Kenntnis nehmen: Autobahnen sind – bezogen auf die gefahrenen Kilometer – die sichersten Straßen in Deutschland. Auch ohne generelles Tempolimit. Die Zahl der Unfalltoten ist von über 13.000 pro Jahr in den 80er Jahren auf zuletzt 3180 gesunken. Obwohl die Verkehrsdichte dramatisch zugenommen hat.
Der Grund: Die Autos sind sicherer geworden. Moderne Bremssysteme (ABS), Assistenzsysteme (ESP), bessere Reifen und Fahrwerke, die auch bei hohen Geschwindigkeiten enorme Spurstabilität gewährleisten, haben segensreiche Folgen. Und, ja, sie ermöglichen auch höhere Geschwindigkeiten. Anders als in einer 1970er Ford-Taunus-Schaukel sind 160 Stundenkilometer heute selbst in einem 15 Jahre alten Opel Corsa gut beherrschbar. Natürlich nur bei entsprechender Verkehrslage. Aber zur Debatte steht kein verkehrslagenabhängiges Tempolimit, sondern ein generelles. Reicht da nicht erstmal ein Limit von 170?
Das wesentliche Problem auf deutschen Autobahnen ist ein anderes. Es ist nämlich keineswegs so, dass sich auf der linken Spur die schnellen Autos sammeln und auf der rechten die langsamen. Sondern rechts fährt, wer seinen Sprit selbst bezahlen muss und links, wer eine Tankkarte vom Arbeitgeber hat und seinen Hochgeschwindigkeits-Spritverbrauch von 18 Litern auf 100 Kilometer deshalb nicht selbst bezahlen muss.
Wenn überhaupt, sollte dieser Unsinn verboten werden. Weil er das Verursacherprinzip und damit ein anderes wichtiges Kriterium des tugendhaften Staates aushebelt. Wer im Geschwindigkeitsrausch Unmengen an Benzin veraast, sollte das wenigstens selbst bezahlen müssen. Grundsätzlich. Schon dieses kleine Korrektiv würde die meisten Tempo-Exzesse auf deutschen Autobahnen verhindern. Der Staat käme ohne Bevormundung aus und hätte – ganz nebenbei – ein Quentchen mehr Gerechtigkeit hergestellt.