Tarifrunde im öffentlichen Dienst Verdi auf dem Ego-Trip

Meinung | Berlin · Bund und Kommunen haben den 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ein großzügiges Angebot vorgelegt. Doch den Gewerkschaftern von Verdi und vom Beamtenbund sind auch acht Prozent Gehaltsplus zu wenig. Der sture Kurs zeugt von wenig Verständnis für das Gemeinwohl.

Verdi-CHef Frank Werneke will noch immer nicht einschlagen.

Verdi-CHef Frank Werneke will noch immer nicht einschlagen.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Acht Prozent mehr Lohn, mindestens ein Aufschlag von 300 Euro pro Monat für alle plus eine steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro im laufenden Jahr – dieses Angebot von Bund und Kommunen in der dritten Tarifrunde des öffentlichen Dienstes konnte sich sehen lassen. Viele Beschäftigte in der Privatwirtschaft würden sich über eine solche Gehaltssteigerung freuen und hätten sofort eingeschlagen. Doch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund schlugen das Angebot aus. Sie wollen noch mehr erzwingen. Mit einem bereits überzogenen Warnstreik am Montag – während die Tarifrunde lief – hat Verdi geballte Kraft demonstriert. Der Beamtenbund segelt im Windschatten mit. Ruft Verdi die Mitglieder zum Streik, kann das gesamte Land stillstehen – mit allen negativen volkswirtschaftlichen Folgen.

Nun müssen Schlichter ran. Scheitern auch sie, drohen generelle Streiks zur Unzeit. Dabei lagen Gewerkschaftsforderung und Arbeitgeberangebot gar nicht mehr weit auseinander. Bei der strittigen Laufzeit des Tarifvertrages — die Arbeitgeber forderten anfangs 27 Monate, Verdi nur zwölf Monate — hatten sich beide Seiten bis zum Ende der Tarifverhandlungen am Mittwoch angenähert, ein Kompromiss schien hier greifbar. Zwischen 10,5 und acht Prozent liegen dann keine unüberwindbaren Welten mehr, ebenso wenig zwischen der Mindestforderung von 500 Euro und dem Arbeitgeberangebot von 300 Euro plus Einmalzahlung, wovon die Hälfte bereits im Mai ausgezahlt werden sollte. Normalerweise trifft man sich in der Mitte. Das Angebot der Arbeitgeber ging über diese Mitte hinaus, weil Bund und Kommunen unter dem Eindruck des Streiks an die Grenze des Verantwortbaren gingen. Dennoch stellten die Gewerkschaften auf stur. Das zeugt von einer neuen Qualität des Arbeitskampfs, einer neuen Härte: Während im letzten Herbst noch angemessene Tarifabschlüsse etwa in der Chemieindustrie gelangen, durch die eine Lohn-Preis-Spirale in Zeiten hoher Inflation unwahrscheinlich wurde, ist das nun nicht mehr der Fall.

Dabei hat der öffentliche Dienst andere ökonomische Voraussetzungen als privatwirtschaftliche Branchen, die stärker im Wettbewerb stehen. Produktivitätsgewinne sind im Staatsdienst geringer, die Arbeitsplätze sicherer, Arbeitszeiten verlässlicher, Teilzeit-Möglichkeiten attraktiver. Insofern bietet der öffentliche Dienst bereits Vorteile, die andere nicht haben, und die viele Menschen bewegen, in den öffentlichen Dienst zu gehen. Beamte profitieren von Pensionen, die eine überdurchschnittliche Altersversorgung bieten, und von der privaten Krankenversicherung. Der harte Verdi-Kurs dürfte auch vor diesem Hintergrund in der Bevölkerung an Rückhalt verlieren.

Dass Verdi und der Beamtenbund nicht nur einen Inflationsausgleich fordern, sondern echte Reallohnzuwächse, ist angesichts der Preisentwicklung der vergangenen Monate nur zu verständlich. Dass sie vorgeben, vor allem für die unteren Gehaltsgruppen zu kämpfen, ist nobel. Ihr Arbeitgeber, der Staat, fährt aber keine Gewinne ein, sondern Steuereinnahmen, die er auch für andere Leistungen einsetzen muss. Ein zu hoher Tarifabschluss droht alle zu treffen: die Steuerzahler, die Gebührenzahler, die Bürger, die womöglich auf staatliche Leistungen verzichten müssten – und den öffentlichen Dienst selbst, wenn Stellen aus Kostengründen eingespart werden.

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