Zerwürfnis in der schwarz-gelben Koalition Szenen einer Partnerschaft

Düsseldorf (RP). Das Zerwürfnis zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Guido Westerwelle ist größer als angenommen. Der FDP-Chef ist verärgert über Merkels "Gemächlichkeit". Die Kanzlerin findet Westerwelles Aggressivität unpassend.

Diese Streitthemen beherrsch(t)en Schwarz-Gelb
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Foto: AP

Die Sehnsucht der Kanzlerin nach ihrem Koalitionspartner ist groß. Ihrem früheren. So tauschte Angela Merkel (CDU) neulich telefonisch Nettigkeiten mit dem früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck aus und beriet mit dem Ex-Verteidigungsminister sogar die Afghanistan-Strategie der schwarz-gelben Bundesregierung. Für den Posten des Afghanistan-Beauftragten sucht das Kanzleramt dem Vernehmen nach sogar einen "Sozi". Mit SPD-Chef Sigmar Gabriel steht nach dessen Bekunden noch ein Abendessen beim Franzosen aus.

Das Verhältnis zu ihrem aktuellen Partner, FDP-Chef Guido Westerwelle, ist indes mit unterkühlt noch diplomatisch beschrieben. Die Duz-Freunde , die sich zu Oppositionszeiten schon einmal fröhlich lächelnd bei einer gemeinsamen privaten Spritztour im VW-Cabrio fotografieren ließen, stecken in einer Beziehungskrise. Merkel ärgert sich deutlich vernehmbar über Westerwelles aggressiv angezettelte Hartz-IV-Debatte, watschte ihren Vizekanzler in einem Zeitungsinterview sogar öffentlich ab. "Selbstverständliches sollte selbstverständlich bleiben", bekundete sie und wischte die Hartz-IV-Offensive des FDP-Vorsitzenden vom Tisch. Am gleichen Tag, als sie Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer zum Spitzengespräch ins Kanzleramt geladen hatte. Westerwelle, stets um sein Selbstwertgefühl besorgt, konterte trotzig mit einem Gastbeitrag in der "Welt", in dem er den Sozialstaats-Streit erneut befeuerte. Ein einmaliger Vorgang.

Merkel äußert Unmut offen

Die ostdeutsche Protestantin mit dem nüchternen Politikstil und der rheinische Klartext-Politiker wirken seltsam entfremdet. Verlor Merkel früher auch im engsten Kreis kein schlechtes Wort über Westerwelle, spricht sie ihren Unmut über das Auftreten des FDP-Chefs nun aus. In kleiner Runde soll die CDU-Vorsitzende jüngst enttäuscht festgestellt haben, dass es doch schade sei, dass Westerwelle im Amt des Vizekanzlers noch nicht angekommen sei.

Franz Müntefering, Merkels Vizekanzler-Partner von 2005 bis 2008, habe sogar seine Partei vergessen, wenn es um die Regierungsverantwortung gehe, ergänzte sie — das Kokettieren mit dem "Ex", in jeder Beziehung ein markantes Zeichen für eine Krise. Auch der SMS-Kontakt zwischen den Regierungspartnern soll in der Oppositionszeit ausgeprägter gewesen sein, heißt es.

Westerwelle enttäuscht

Doch auch Westerwelle ist enttäuscht von Merkel. Die Modernisierungsstrategie der CDU-Chefin, die schwarz-grünen Offerten, mit denen Merkel vor exakt zwei Jahren vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg begann, verärgern den Chef-Liberalen. Die Union mache sich "hübsch für neue Partner", wetterte Westerwelle am Montag in der Sitzung des Landesvorstands der NRW-FDP. Man müsse jetzt auf sich schauen. Der "gemächliche" Führungsstil der Kanzlerin werde immer mehr zum Problem, heißt es im Umfeld von Guido Westerwelle. Das Dreier-Treffen am Mittwoch wollte der FDP-Vorsitzende kurzzeitig sogar ausfallen lassen, um ein Zeichen zu setzen. Der Frust über den Liebesentzug der Kanzlerin ist groß. Parteifreunde konnten Westerwelle angeblich von der Idee abbringen.

Zur Stimmung passt, dass Merkel, Westerwelle und Seehofer am Mittwoch auf den ursprünglich geplanten "Absacker" in einem Berliner Restaurant verzichteten. Man faste eben, hieß es lapidar. Enthaltsamkeit ist offenbar auch politisch die Botschaft dieser Tage.

(RP)
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