Synode EKD will Missbrauch aufklären

Hannover · „Eine Kirche, die solcher Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr“, sagt die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs.

 Bischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), spricht während einer Pressekonferenz im Rahmen der Jahrestagung der EKD-Synode neben Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode.

Bischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), spricht während einer Pressekonferenz im Rahmen der Jahrestagung der EKD-Synode neben Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode.

Foto: dpa/Daniel Karmann

„Johanna war 15 oder 16 Jahre alt, so genau weiß sie es nicht mehr“, erzählt Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs. „Sie weiß nur, dass sie es eklig fand, als der Pastor sie das erste Mal überfallartig küsste und an die Brust fasste.“ So fing es an: Ein Fall von sexuellem Missbrauch, ein Teil einer Serie in Ahrensburg, einer Kleinstadt nördlich von Hamburg. Am Dienstag erzählt Kirsten Fehrs davon, vor der in Würzburg versammelten EKD-Synode, im Rahmen eines Berichts zum Missbrauch in der Evangelischen Kirche.

„Die evangelische Kirche hat systemisch gesehen ganz spezifische Risikofaktoren“, sagt Fehrs. Sie spricht über sexualisierte Gewalt, begangen an Kindern und Jugendlichen, aber auch an Erwachsenen in Beratungsszenarien und Abhängigkeitsverhältnissen. Die Täter waren Pastoren, aber auch Jugendmitarbeiter, Kirchenmusiker oder Ehrenamtliche. Gerade weil in der evangelischen Kirche so viele Berufsgruppen und auch Ehrenamtliche Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen trügen, müsse man sie alle in den Blick nehmen, sagt Fehrs. Dazu kämen die „vereinsartigen Strukturen“ der evangelischen Kirche: Oft sei es unklar, wer für was zuständig ist, und weil jeder jeden kenne, rede man nicht öffentlich über die Taten. Es gebe „unreflektierte Vermischung von Privaten und Dienstlichem“ und Einrichtungen, die als „Closed Shops“ geführt würden.

Wie schon im Laufe der Woche bekannt wurde, plant die EKD zwei Studien zur weiteren Ermittlung der Risikofaktoren und der Dunkelfeldanalyse. Rund eine Million Euro sind dafür vorgesehen. Bislang sind nur 479 Missbrauchsfälle aus den evangelischen Landeskirchen bekannt, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Fehrs kündigte eine stärkere Beteiligung der Betroffenen an Aufarbeitung und Prävention in der EKD an. In allen 20 Landeskirchen soll es künftig Unabhängige Kommissionen zur Vergabe von Unterstützungsleistungen an Betroffene geben. Ein Beauftragtenrat und zentrale Meldestellen in den Landeskirchen sollen geschaffen werden. Und auch das Diakonische Werk der EKD, unter dessen Dach zahlreiche Heime, und Wohlfahrtseinrichtungen angesiedelt sind, kündigte am Dienstag eine eigene Studie zur Aufarbeitung der sexuellen Gewalt an. „Eine Kirche, die solcher Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr“, sagte Kirsten Fehrs.

Für ihren Bericht erhielt die Hamburger Bischöfin von der Synode stehende Ovationen. Betroffenenvertreter begrüßten am Mittwoch die Äußerungen der EKD. Allerdings kritisierte der Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung das Fehlen eines festen Zeitplans für deren Implementierung. „Hier fehlt den Ankündigungen der EKD noch die notwendige Verbindlichkeit“, heißt es in einer Stellungnahme.

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