Rechte Symbolik Wie man Neonazis erkennt

Berlin · Glatze, Springerstiefel, Bomberjacke — so einfach machen es Rechtsextremisten dem Publikum nur selten. Und doch gibt es viele Zeichen, die verraten, in welch problematische Gesellschaft man zu geraten droht.

Ein wesentlicher Teil der Kritik am spontanen Verhalten vieler Chemnitzer und Köthener richtet sich gegen ihr fehlendes Problembewusstsein: Haben sie wirklich nicht gemerkt, dass rechtsextremistische Kräfte aus dem ganz harten Kern der Neonazi-Szene sie vor ihren Karren spannten? Es gibt viele Erkennungszeichen. Das Phänomen der binnen Stunden organisierten Protestmärsche liegt jedoch darin, dass Neonazis ihre Masken immer mehr fallen lassen. Wer mit dem Schlachtruf „Nationalsozialismus – jetzt, jetzt, jetzt“ durch die Straßen von Köthen zieht, lässt keinen Zweifel mehr an seiner Gesinnung.

Lange Zeit war die Kleidung ein beinahe untrüglicher Hinweis. Bomberjacke, darunter T-Shirt oder Pulli mit einschlägigen Schriftzügen: Der Name der Marke Lonsdale etwa – die von Rechten für ihre Zwecke instrumentalisiert wurde – ermöglichte es, nur die Buchstaben NSDA sichtbar werden zu lassen und so mit der Abkürzung von Hitlers ­NSDAP zu spielen. Mit der Kleidermarke Consdaple funktionierte das sogar noch provokanter. Dazu noch Springerstiefel und vielleicht sogar noch eine Glatze – fertig war das Bild vom Neonazi.

Die wirklich Gefährlichen kamen dagegen als brave Biedermänner daher. Da war darauf aufzupassen, welche rechtsextremistische Hetze als Musik-CDs sie an Schüler verteilten, welche Reden sie schwangen, welche getarnten Organisationen sie aufbauten. Inzwischen haben sich die Kleidungsneigungen rechtsextremistischer Aktivisten stark verbreitert – nicht immer zur Freude der betroffenen Firmen. So wehrte sich Pit Bull ebenso wie zuvor schon Lonsdale gegen die Vereinnahmung durch Neonazis. Diese haben jedoch einen Hang zu aggressiv klingenden Namen, und damit auch etwa zu Dobermann oder Troublemaker.

Insbesondere über die Bekleidungsmarke Thor Steinar eröffnet sich der Weg zu weit in der rechten Szene verbreiteter Faszination für alles Keltische und Nordische, das auch mit heidnischen Handlungen verknüpft wird. Die daraus resultierenden Runen, Kreuze und Sonnen zeigen Parallelen zu Emblemen aus der NS-Zeit auf und stehen oft für die angebliche Überlegenheit einer (weißen) Rasse. Eine ganze Reihe dieser Symbole finden sich immer wieder auf Tattoos von Angehörigen einschlägiger Gruppen.

Gerade die Schwarze Sonne zeigt die vielschichtigen Assoziationen szenetypischer Erkennungszeichen auf. Das Sonnenrad mit zwölf gezackten Speichen fand sich auch schon in eher unpolitischen esoterischen Zirkeln. Aber auch die Nationalsozialisten benutzten es vereinzelt als schmückendes Beiwerk. Aktuell umgehen Neonazis das verbotene Hakenkreuz eben mit jener Sonne, in der durch die Anordnung der Radspeichen gleich mehrere Hakenkreuze angedeutet werden.

Weit verbreitet sind Zahlenkombinationen als Chiffren, die sich meist an der Reihenfolge im Alphabet orientieren. So ist der erste Buchstabe das A und der achte das H. Eine vermeintlich harmlose „18“ wird so zu „Adolf Hitler“. Die „88“ entspricht dem Gruß „Heil Hitler“. Vorsicht also bei „88“-T-Shirts oder „88“-Clubnamen. Die „1919“ ist genauso zu entlarven als eine Doppelung des 19. Buchstabens und steht für die SS des Terrorregimes. Die 444 wird zum dreifachen D und zur verdeckten Parole „Deutschland den Deutschen“. Doch diese Zeiten, in denen Neonazis sich derart zu tarnen versuchten, scheinen vorbei zu sein. Die Parole wird bei immer mehr rechten Kundgebungen als Standardformel verwendet.

Die Kombination 4-20 verweist wiederum auf einen anderen Aspekt von Erkennungssymbolen, die sich an bestimmten Daten ausrichten. Die der amerikanischen Praxis entnommene Abfolge von Monat und Tag steht für den 20. April, den Geburtstag Hitlers. In diese Kategorie gehören auch der 17. August als Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß oder der 9. November, der sowohl mit den Pogromen von 1938 als auch dem Putschversuch von 1923 verknüpft wird.

Hochproblematisch wird es, wenn sich Teilnehmer von Kundgebungen über Verbote hinwegsetzen. Nicht nur der Hitlergruß mit dem erhobenen rechten Arm ist strafbar. Es gibt auch zahlreiche Aufnäher auf Kleidungsstücken, die nicht erlaubt sind. Das gilt naturgemäß für alle Abzeichen mit Hakenkreuzen. Aber auch einschlägige NS-Losungen machen eine Darstellung zum Propagandadelikt. Dazu gehört etwa „Meine Ehre heißt Treue“ (in der Tradition der SS) „Blut und Ehre“ (Hitlerjugend) oder „Deutschland erwache“ (NSDAP).

In einem Fall ist schon das Abspielen der Melodie ohne jeden Text ein Fall für den Staatsanwalt: Das ist das SA-Kampflied, das sogenannte Horst-Wessel-Lied („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen...“).

Seit anderthalb Jahrzehnten schauen sich gewaltbereite Neonazis Erscheinungsformen von Linksextremisten ab. So haben „Autonome Nationalisten“ einerseits ihre Kleidung mit schwarzer Kleidung, Turnschuhen, Sonnenbrillen bis hin zu Kapuzenpullovern und den schwarz-weißen Palästinensertüchern darauf abgestellt. Auf der anderen Seite übernahmen sie auch die Farbgebung der in Rot und Schwarz gehaltenen Fahnen-Embleme, nur dass alle Antifa-Bezüge etwa durch „Nationale Sozialisten Bundesweite Aktion“ ersetzt wurden. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind inzwischen Erscheinungsbild und Aktionsziele der „Autonomen Nationalisten“ von anderen Teilen der neonazistischen Szene übernommen worden.

Symbolik: Wie man Neonazis erkennt an Kleidung, Liedern und Co.
Foto: dpa/Jan Woitas

Aber auch wenn alle diese Erkennungszeichen fehlen: Spätestens bei Kundgebungsreden, die vom „Rassenkrieg“ handeln und davon, zu Wölfen zu werden und die Gegner zu „zerfetzen“, wie jetzt in Köthen nach dem Tod eines 22-Jährigen, sollte man wissen, in welches Umfeld man geraten ist.

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