Berlin West-Frauen verdienen ungern mehr als ihre Männer

Berlin · Im Osten gibt es dreimal so viele Haupternährerinnen. Grund könnte die Emanzipation im Sozialismus sein: die Frau als Arbeiterin, Mutter und Hausfrau.

 Eine Frau arbeitet im Homeoffice.

Eine Frau arbeitet im Homeoffice.

Foto: dpa/Daniel Naupold

Viele westdeutsche Frauen haben es laut einer Studie jahrzehntelang bewusst vermieden, mehr Geld als ihre Ehemänner zu verdienen. Den Grund dafür sieht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor allem in dem im Kapitalismus geprägten Rollenverständnis der Geschlechter, wonach der Mann traditionell der „Brötchenverdiener“ und die Frau die „Zuverdienerin" ist. Die DIW-Studie, die unserer Redaktion vorliegt, bezieht sich auf den Zeitraum von 1984 bis 2016. Nur elf Prozent der erwerbstätigen Frauen im Westen haben im Zeitraum von 2007 bis 2016 mehr Geld als ihre Männer verdient. Im Osten waren es 33 Prozent.

Von 1984 bis 1990 sei noch nachweisbar gewesen, dass Frauen in der Bundesrepublik in der Regel ihre Wochenarbeitszeit reduziert haben, wenn sie im Vorjahr ein höheres Einkommen als ihre Partner hatten. Inzwischen gebe es diese Anhaltspunkte nicht mehr. Dennoch sei die kulturelle Prägung der Rollenverteilung von Mann und Frau beziehungsweise der Geschlechteridentität eine Erklärung für die noch heute unterschiedliche Einkommensverteilung – trotz weitgehend gleichwertiger Bezahlung von Frauen und zahlreichen Jobangeboten.

Im Sozialismus hätten Frauen die Rolle der Arbeiterin, Mutter und Hausfrau zugleich gehabt. Zu DDR-Zeiten sei von Frauen wie von Männern – unterstützt durch flächendeckende Kinderbetreuungsangebote – Vollzeitbeschäftigung erwartet worden. Im Jahr des Mauerfalls seien Frauen im Osten zu 89 Prozent am Arbeitsmarkt beteiligt gewesen, im Westen zu 56 Prozent.

In Westdeutschland sei das Bild institutionell gefördert worden, wonach der Mann mehr verdienen sollte als die Frau. Etwa durch das bis heute mögliche Ehegattensplitting, das „negative Beschäftigungsanreize für den geringer verdienenden Partner – vorrangig die Frau – setzt“.

Vor der Wende habe der durchschnittliche Anteil der Frau am Haushaltserwerbseinkommen in der Bundesrepublik 18 Prozent und in der DDR 40 Prozent betragen. Bis 2016 sei der Anteil der Frauen am Haushaltserwerbseinkommen im Osten auf 42 Prozent gestiegen - bei einer 33,4-Stundenwoche, im Westen auf 29 Prozent bei einer Arbeitszeit von 24,9 Stunden pro Woche.

Berechnungsgrundlage ist der Einkommensanteil der Frau in einem Doppelverdiener-Haushalt. Festgestellt wurde, dass es im Westen bis 2006 sehr viel mehr Paare gab, in denen die Frau knapp weniger als die Hälfte des gemeinsamen Einkommens beitrug als Paare, in denen die Frau den knapp größeren Anteil erwirtschaftete.

In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass sich von dem Moment an, da die Frau im Westen begonnen habe mehr Geld zu verdienen als ihr Partner, im Folgejahr die Wahrscheinlichkeit reduzierte, dass das so bleibt.

Seit der Wiedervereinigung habe sich das Verhalten der Frauen im Westen aber kontinuierlich dem im Osten angenähert. Die Norm eines männlichen Brötchenverdieners beeinflusse die haushaltsökonomischen Entscheidungen von Ehepaaren heute weniger.

(kd)
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