Studie Jeder Dritte will Sinti und Roma nicht als Nachbarn

Berlin · In der deutschen Bevölkerung gibt es noch immer erhebliche Vorbehalte gegen Sinti und Roma: Jedem dritten Bundesbürger wären Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe als Nachbarn "sehr oder eher unangenehm", heißt es in einer am Mittwoch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgestellten Studie.

Der Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose (Mitte), bei der Vorstellung der Studie, daneben die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, und der Professor der Soziologie am Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Werner Bergmann.

Der Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose (Mitte), bei der Vorstellung der Studie, daneben die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, und der Professor der Soziologie am Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Werner Bergmann.

Foto: dpa, mjh cul

Der Erhebung zufolge wird den Sinti und Roma im Vergleich zu anderen Minderheiten mit Abstand die geringste Sympathie entgegengebracht. Die Hälfte der Bevölkerung denke, dass Sinti und Roma ebenso wie Muslime durch ihr Verhalten Feindseligkeit in der Bevölkerung hervorrufen, heißt es in der Studie. Jeder zweite Befragte bezeichnete darin zudem Einreisebeschränkungen als ein probates Mittel für ein besseres Zusammenleben.

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, nannte die Ergebnisse der Studie dramatisch. "Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bilden zusammen eine fatale Mischung, die Diskriminierungen gegenüber Sinti und Roma den Boden bereiten", erklärte sie. Es bestehe daher erheblicher Handlungsbedarf in Politik und Gesellschaft.

Studie: Wissen über Minderheiten gering

Die Studie unter dem Titel "Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung" wurde im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom Zentrum für Antisemitismusforschung und dem Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung an der TU-Berlin erarbeitet. Nach ihrer Einschätzung ist das Wissen über Sinti und Roma in der Bevölkerung gering. Weit über die Hälfte nehme sie in der Öffentlichkeit nicht wahr, und für drei Viertel der Befragten sei die jüngste Berichterstattung im Zusammenhang mit der Armutszuwanderung kein privates Gesprächsthema gewesen.

Nach Angaben des Studienautors Werner Bergmann von der TU-Berlin gibt es eine "harten Kern" von acht Prozent, der Sinti und Roma grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Zugleich betonte er, dass es eine hohe "Korrelation" zwischen der Sicht auf Sinti und Roma einerseits und der auf Asylbewerber andererseits gebe. Die Vorurteile fänden sich in allen Teilen der Bevölkerung.

Der Antiziganismus genieße eine "große Form der Narrenfreiheit", kritisierte Rose. Er forderte vom Bundestag, eine Expertenkommission einzusetzen. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders, sprach sich für den Aufbau einer Bundesakademie für Sinti und Roma aus. Ferner müssten sie besser vor der Benachteiligung durch Behörden und Polizei geschützt werden.

Kritik an Debatte zur Armutszuwanderung

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, zeigte sich besorgt über die Ergebnisse. "Die Studie zeige, dass tief sitzende Vorurteile immer wieder reaktiviert werden können." Das Feindbild 'Zigeuner' sei in Deutschland hoch virulent. Auch die Wahlpropaganda der NPD gegen Sinti und Roma fuße auf diesem Feindbild. Zudem nutzten maßgebliche Politiker in der Debatte um angebliche Armutszuwanderung wider besseren Wissens das Feindbild von Roma aus.

"Es ist eine Schande, dass rassistische Vorurteile fast siebzig Jahre nach dem Völkermord an Sinti und Roma weiterhin derart verbreitet sind", erklärten die Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Tom Koenigs. "Es ist höchste Zeit, daran etwas zu ändern — in Politik und Verwaltung, in den Schulen und in den Medien."

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) machte die Debatte über sogenannte Armutszuwanderung mitverantwortlich für die Vorbehalte gegen Sinti und Roma. Die Studie sei ein klares Signal, immer wieder aufkommenden Vorurteilen mit Blick auf Sinti und Roma zu widersprechen, erklärte AWO-Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. "Das Gegenteil wird aber getan, wenn über die sogenannte Armutszuwanderung gesprochen wird."

Die Studie "Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung — Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma" basiert auf quantitativen Erhebungen im Rahmen einer repräsentativen Forsa-Umfrage mit 2001 Befragten und wurde vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin sowie dem Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung erarbeitet.

(DEU/KNA)
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