Terror- und Kriminalitätsbekämpfung Strobl plädiert für Schleierfahndung in ganz Deutschland

Berlin · Die Innenminister beraten über Maßnahmen gegen den Terror. Bayern will Kinder vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Baden-Württembergs Innenminister Strobl verteidigt dagegen die Schleierfahndung.

 Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Foto: dpa, frk fdt frk soe

Zeiten großer Koalitionen sind auch immer Zeiten großer gesetzlicher Sicherheitspakete. Bei Rot-Grün bremsten die Grünen die Versuche von SPD-Innenminister Otto Schily, schärfstmögliche Antworten auf die neuen Terrorgefahren nach den Anschlägen auf die USA zu finden, bei Schwarz-Gelb lag CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich im Dauerclinch mit FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Vergleichsweise geräuschlos läuft die Arbeit an neuen Verstrebungen der deutschen Sicherheitsarchitektur in der aktuellen Koalition. Das zeigt sich auch wieder zum Start der dreitägigen Innenministerkonferenz (IMK) in Dresden. Es ist die letzte vor der Bundestagswahl und möglichen neuen politischen Konstellationen.

Kaum hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Zugriff der Sicherheitsbehörden auf WhatsApp-Kommunikation gefordert, so wie das auch zur Terror- und Verbrechensbekämpfung auf SMS möglich war, sprang ihm der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz von der SPD bei. Das sei eine "sehr vernünftige Forderung".

Auch die 15 weiteren Minister und Senatoren haben einen intensiven Eindruck von den neuen Gefahren. Der Brief gilt schon seit langem nicht mehr als Kommunikationsmittel für die Verabredung von Verbrechen, auch die SMS-Kurzmitteilungen über die herkömmlichen Internetdienstleister haben weitgehend ausgedehnt. Die finstersten Pläne werden nun in geheimen Gruppen der sozialen Netzwerke wie WhatsApp besprochen. So weist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) darauf hin, dass der islamistische Attentäter von Ansbach bis zum Schluss seine Anweisungen auf diesem verschlüsselten und für die Behörden nicht einsehbaren Weg erhielt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Treffen in Dresden hier die nächsten Schritte auf den Weg bringt.

Zwei weitere Digitalthemen stehen ebenfalls zur Beratung an: Da ist die Forderung nach einem verstärkten Blick auf die Gefahren des Internets der Dinge, wenn also der mit dem Netz verbundene Kühlschrank in einen breit angelegten Cyberangriff eingespannt wird. Und die Länderminister wollen zusammen üben, wie sie am besten mit einem Cyberangriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland umgehen. Dass der vergleichsweise harmlose Schadwurm "WannaCry" mal eben Krankenhäuser und Bahnanzeigen lahmlegen konnte, hat die Bereitschaft noch einmal gesteigert, die Krisenreaktionen einmal durchzuspielen. Für de Maizière ist der tagelange Ausfall der Stromversorgung mit prekären Folgen das wahrscheinlichste Szenario.

Gehörigen Druck entfachen Unionsinnenminister auch auf eine Ausweitung der Schleierfahndung, also der verdachtsunabhängigen Personenkontrolle. Rund 20.000 Aufgriffe im Jahr verzeichnen nach Angaben von Minister Herrmann allein die bayerischen Schleierfahnder. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) plädiert nachdrücklich für "konsequente Kontrollbefugnisse in ganz Deutschland". Diese gehörten zu einem überzeugenden sicherheitspolitischen Kurs, der nach seiner Auffassung "keine ideologischen oder rechtsdogmatischen Lücken aufweisen darf", sagte er unserer Redaktion. Gerade in Zeiten von Terror und Anschlagsgefahr erwarteten die Bürger verstärkte Fahndungsmaßnahmen. Weil die wechselnde Präsenz der Polizei sowohl auf Terroristen als auch die grenzüberschreitende Kriminalität einen permanenten Fahndungsdruck aufweise, wirkten diese Kontrollen laut Strobl "auch allgemein präventiv".

Das (noch) rot-grün regierte NRW, das rot-grüne Bremen und das rot-rot-grüne Berlin haben noch keinerlei Schleierfahndung, und zum Auftakt der IMK gingen die Grünen erneut auf Distanz. Das sei nur eine "Vernebelungsstrategie"; die Schleierfahndung werde nicht gebraucht.

Sollen auch Kinder überwacht werden?

Ob der Druck aus dem Süden zum Schließen der Fahndungslücken führt, ist daher eher unwahrscheinlich. Uneins sind sich die Minister auch, wie sie mit den Daten von islamistischen Minderjährigen umgehen. Der bayerische Verfassungsschutz speichert schon Angaben über verdächtige Kinder. Herrmann wirbt dafür, und auch IMK-Chef Markus Ulbig (CDU) aus Sachsen verlangt eine "bessere Erkenntnislage" über Frauen und Kinder, die sich radikalisieren. Hier aber will die SPD nicht mitziehen.

Somit zeichnet sich ab, dass es am Ende dieser Innenministerkonferenz weiterhin das geben wird, wovor de Maizière zum Auftakt eigentlich eindringlich gewarnt hatte: "Es darf in Deutschland nicht zwei Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben." Bei de Maizières Vorstoß für eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes sind sich die Länderminister wieder weitgehend einig: Das wollen sie nicht zulassen.

(may-)
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