Abschlussverhandlungen von Union und FDP "Strittige Punkte reduzieren sich stündlich"

Berlin (RPO). Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP befinden sich auf der Zielgeraden. In der Nacht hatten sich die Koalitionäre bereits auf eine radikale Gesundheitsreform verständigt, die voraussichtlich Mehrkosten für Kassenpatienten bringen wird. Damit wurde einer der Hauptstreitpunkte geklärt. Auch in anderen strittigen Punkten ist eine Einigung greifbar.

Bundeskabinett 2009: Die 15 Minister der schwarz-gelben Koalition
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Am Freitagnachmittag kamen die Unterhändler von Union und FDP zu ihrer Abschlusssitzung zusammen, um auch im Bereich Steuern und Haushalt zu einer Einigung zu kommen. "Die strittigen Punkte sind inzwischen an zwei Händen abzählbar. Stündlich reduziert es sich", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zu Beginn der großen Runde. Der Vertrag soll am Montagabend nach Zustimmung der Fraktionen und Parteigremien unterzeichnet werden.

"Robustes Gesundheitssystem"

Die Details der Gesundheitsreform sollen erst von einer Regierungskommission erarbeitet werden, doch soviel steht fest: Die Beiträge der gesetzlich Versicherten werden ab 2011 zum Teil auf einkommensunabhängige Prämien umgestellt und ein Sozialausgleich über das Steuersystem eingeführt. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren. Damit würden die Versicherten künftige Kostensteigerungen alleine zahlen.

FDP-Unterhändler Philipp Rösler sagte: "Wir schaffen damit ein robustes Gesundheitssystem, das nicht mehr alle zwei bis drei Jahre reformiert werden muss." Zugleich schaffe man die Voraussetzungen dafür, dass Gesundheitsvorsorge und -versorgung besser, aber nicht teurer würden. Auch Union und FDP gehen allerdings von Kostensteigerungen aufgrund des medizinischen Fortschritts und der Alterung der Bevölkerung aus.

Volumen der Kindergelderhöhung noch offen

Inhaltlich einigten sich Union und FDP nicht nur auf die Gesundheitsreform, sondern auch auf eine Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes. Höhe und Zeitpunkt seien zwar noch offen, die Anhebung solle aber "auf jeden Fall" kommen, verlautete aus Unionskreisen. Die Darstellung des CSU-Politikers Norbert Geis, wonach die Koalition bereits beschlossen habe, dass das Kindergeld auf 200 Euro und der Kinderfreibetrag auf 8.001 Euro steigen soll, wurde zurückgewiesen.

Ebenfalls noch nicht fest stand, ob die Wehrpflicht tatsächlich von neun auf sechs Monate verkürzt wird. Aus Sicht des Bundeswehrverbands würde dies aber die Wehrgerechtigkeit erhöhen. Die FDP war ursprünglich für die Aussetzung der Wehrpflicht eingetreten.

Teils scharfe Kritik an Plänen für Gesundheitsreform

Die Pläne der schwarz-gelben Koalition für eine tief radikale Gesundheitsreform sind bei Opposition und Sozialverbänden auf scharfe Kritik gestoßen. SPD, Grüne und Linke kritisierten am Freitag den geplanten Einstieg in die "Kopfpauschale". Von den Arbeitgeberverbänden, der Pharmaindustrie, den Apothekern, Ärzten und der Privaten Krankenversicherung kam dagegen Lob.

Krankenkassen gespalten

Die Krankenkassen reagierten uneinheitlich. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung begrüßte vor allem, dass das für 2010 erwartete Defizit von 7,5 Milliarden Euro zum größten Teil vom Staat überbrückt werden soll. "Die Ankündigung, ein neues Finanzierungsmodell durch eine Regierungskommission zu entwickeln, sehen wir als Chance", fügte Verbandschefin Doris Pfeiffer an. Auch die AOK äußerte sich verhalten positiv.

Von den Ersatzkassen kam dagegen Kritik. "Was uns heute Schwarz-Gelb präsentiert hat, ist das Ergebnis einer gesundheitspolitischen Mut- und Ideenlosigkeit", erklärte Barmer-Vorstandschef Johannes Vöcking. Das Festschreiben des Arbeitgeberbeitrages sei nicht nur sozialpolitisch fatal, sondern auch ökonomisch falsch.

Die SPD sagte voraus, dass bei Umsetzung der Koalitionspläne "eine gute Krankenversicherung zum Luxusgut" werde. Nun gehe der Weg von der Zwei- in die Drei-Klassen-Medizin. "Dieses Ergebnis wird für die meisten Menschen in unserem Land weniger Netto vom Brutto bringen", erklärte Gesundheitspolitikerin Elke Ferner. Die Grünen sagten ebenfalls "eiskalte Zeiten für gesetzlich Versicherte" voraus, die Linke die "Auflösung der Solidarität". Auch die Sozialverbände Volkssolidarität und VdK äußerten sich sehr kritisch.

Ärzte für Ende der Sparpolitik

Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe erklärte dagegen, der Entwurf für die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung biete die Chance für eine neue Gesundheitskultur in Deutschland. Sie lasse "hoffen, dass Gesundheitspolitik nicht länger Einsparpolitik medizinischer Leistungen bleiben wird", meinte Hoppe.

Die Pharmaverbände BAH und VfA sowie die Apothekerverbände der ABDA begrüßten die Vereinbarung ebenfalls. Sie lobten vor allem, "dass die Überregulierung des deutschen Arzneimittelmarktes" überprüft werden solle.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt begrüßte die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags von heute sieben Prozent des Bruttolohns: "Die geplante Neuregelung ist ein großer Schritt zur beschäftigungsfreundlichen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung." Dies helfe, Arbeitsplätze zu sichern.

(AP/tim)
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