Berliner NSU-Affäre Streit um Deutung von Absprachen

Berlin · In der Berliner NSU-Affäre streiten die Sicherheitsbehörden der Stadt mit der Bundesanwaltschaft über die Deutung interner Absprachen. So habe der Generalbundesanwalt die hauptstädtischen Sicherheitsbehörden gebeten, die Informationen über den V-Mann solange zurückzuhalten, bis dessen mögliche Gefährdung geprüft sei, sagte Berlins Innensenator Frank Henkel am Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss. Der Generalbundesanwalt widersprach dieser Darstellung.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft stellte klar, die Behörde habe "zu keinem Zeitpunkt" das Berliner Landeskriminalamt oder den Berliner Innensenator "angewiesen oder gebeten", die Erkenntnisse nicht an den Ausschuss weiterzuleiten.
Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte der "Berliner Zeitung", auch in den Akten gebe es keine derartigen Hinweise.

Ein mutmaßlicher NSU-Helfer hat mehr als ein Jahrzehnt als Informant mit der Berliner Polizei zusammengearbeitet und ab 2002 zumindest indirekte Hinweise auf den Aufenthaltsort des Terror-Trios gegeben.

Nach Informationen von "Spiegel Online" wurde damals ein Hinweis eines V-Mannes auf das bereits untergetauchte NSU-Trio nicht weiterverfolgt und auch nicht an andere Behörden weitergegeben, die nach den Neonazis fahndeten.

Nach eigenen Angaben wusste Henkel von dem Informanten seit März und ließ die Bundesanwaltschaft unterrichten, nicht jedoch den Untersuchungsausschuss und das Abgeordnetenhaus. Darum seien die Berliner Behörden von der Bundesanwaltschaft wegen laufender Ermittlungen gebeten worden, sagte Henkel im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Ähnlich hatte er sich bereits am Dienstag im Innenausschuss geäußert.

Henkel: Keine Vertuschung

Innensenator Henkel sagte, die Polizeiführung habe ihm "glaubhaft dargestellt", dass der Generalbundesanwalt darum gebeten habe, die Informationen noch zurückzuhalten. Er fügte hinzu, ohne ein "Grundvertrauen" zu den Mitarbeitern bei Polizei und Verfassungsschutz sei eine Zusammenarbeit nicht möglich. Es habe in diesem Zusammenhang von seiner Seite auch "keine Schuldzuweisung" an die Bundesanwaltschaft gegeben, betonte der Senator. Die Behörde habe so handeln müssen, wie sie es getan habe.

Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers bekräftigte, dass für ihre Behörde "kein Zweifel an einer Geheimhaltungsvereinbarung" bestanden habe.

Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte sich grundsätzlich hinter Henkel. Zwar kenne er die Details nicht, "aber ich glaube sagen zu können, ich kenne den Kollegen Henkel so gut, dass ich Ihnen zusichern kann, er wollte nie irgendwo etwas verheimlichen". Er bedauere die "unglückliche Kommunikation".

Lückenhafte Akten

SPD und Linke sehen indes die Glaubwürdigkeit des CDU-Senators beschädigt. "Falls sich die Darstellung der Bundesanwaltschaft bestätigt, hat Herr Henkel das Parlament falsch informiert", sagte die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Eva Högl, der Zeitung "Die Welt". So sieht das auch der Berliner Linksfraktionschef Udo Wolf.
Henkel habe die Abgeordneten "im Unklaren gelassen und belogen".
Zugleich forderte er eine Stellungnahme von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zur Informationspolitik des Innensenators.

Erschwert wird die Aufklärungsarbeit allerdings offenbar auch durch unvollständige Akten über die Vorgänge. So sollen Einzelheiten zu dem Wirken des V-Mannes zwischen 2000 und 2003 "nur noch lückenhaft nachvollziehbar sein", berichtet "Spiegel"-Online und beruft sich dabei auf einen internen Vermerk der Bundesanwaltschaft vom 15. Juli 2012. Demnach habe es zum damaligen Zeitpunkt keine Aktenhaltung in der Führung des Informanten beim Berliner Staatsschutz gegeben.

Auch Mitglieder des Abgeordnetenhauses nutzten am Mittwoch die Gelegenheit zur Akteneinsicht. Dies ist im Parlament in einem speziellen Schutzraum möglich. Die Vertraulichkeit muss dabei gewahrt bleiben.

(APD)
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