Streit in der Union um Flüchtlinge Der Obergrenzen-Konflikt

Meinung | Berlin/Kreuth · Mit Spannung hatten die politischen Beobachter das Zusammentreffen der Spitzen von CSU und CDU in Wildbad Kreuth in Sachen Flüchtlings-Obergrenze erwartet. Letztendlich kann Horst Seehofer sein Gesicht wahren - gleichzeitig wird aber klar: Die Chefin im Ring bleibt Kanzlerin Angela Merkel.

 Angela Merkel zeigt Horst Seehofer, wo es lang geht.

Angela Merkel zeigt Horst Seehofer, wo es lang geht.

Foto: ap

Er ist und bleibt ein Spieler, der die hohen Einsätze liebt: Horst Seehofer muss es nach dem Burgfrieden zwischen CDU und CSU über die Obergrenze für Flüchtlinge (unterschiedliche Meinungen, aber erst mal freie Hand für Angela Merkel) zu fad geworden sein. Kurz vor der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth produzierte er provozierendes Konfliktpotenzial, indem er die bislang diffuse Obergrenzen-Forderung mit "höchstens 200.000" konkretisierte. Beim vermeintlichen Showdown im Wildbad erhöhte er damit zwar optisch den Druck, gab Merkel tatsächlich aber auch erneut Spielraum.

Indem er nun den "Januar und Februar" als Zeit für europäische Lösungen nannte und sein Generalsekretär sogar von "Frühjahr" sprach, rückte er von CSU-Forderungen ab, wonach es mit dem Jahreswechsel zur "Wende" in der Flüchtlingspolitik kommen müsse. Damit erhält Merkel ein weiteres Mal Luft für die Arbeit an den internationalen Bedingungen. Und indem er die "200.000" mit der möglichen Variante eines "Netto"-Wertes versah, relativierte er sie um weitere Hunderttausende von Neuankömmlingen, die am Ende keinen Flüchtlings- oder Asylstatus bekommen werden.

Damit reagiert Seehofer zugleich auf Merkel. Er begründete seine Erwartung auf eine "gute Zusammenkunft" in Kreuth zwar mit "vielen Gesprächen", die in den letzten Tagen und Wochen im Hintergrund geführt worden seien. Doch neben Flexibilität an vielen anderen Stellen einer verschärften Flüchtlingspolitik hat er beim zentralen Begriff der Obergrenze von der Kanzlerin nur ein klares Nein erhalten. So sah er sich gezwungen, in der Überschrift den Druck auf die CDU aufrecht zu erhalten, ja mit der mehrfachen Wiederholung der "200.000" sogar noch optisch zu verstärken. Doch im Kleingedruckten zeigt auch er wieder Beweglichkeit.

Das ist der Situation angemessen. Wenn auch bei klirrender Kälte täglich zwischen 3000 und 4000 kommen, werden sich diese bei ungebrochenem Trend am Ende auf deutlich mehr Flüchtlinge als 2015 summieren. So hat Seehofer letztlich nur das Ziel markiert, will am Ende als Taktgeber dastehen, auch wenn es Merkel richten muss. Und die macht in Kreuth klar: Mag Seehofer auch ein Spieler sein, wenn es um Powerplay geht, ist sie die Chefin am Tisch.

(may-)
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