Deutsch-niederländisches Ministertreffen Scholz stoppt Koalitionsausschuss: Für vier Stunden in die Niederlande

Rotterdam · In Rotterdam finden am Montag die vierten deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen statt. Der Termin erweist sich für den Kanzler als schwierig: Der Koalitionsausschuss muss dafür unterbrochen werden. Doch die Freundschaft zu dem engen Nachbarn ist wichtig.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt in den Niederlanden an.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt in den Niederlanden an.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es ist doch eine recht müde Delegation, die da am Montagnachmittag in die Niederlande aufbricht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatten sich zuvor die gesamte Nacht und den Montagvormittag im Kanzleramt um die Ohren geschlagen. Die Spitzenpolitiker der Ampel-Parteien, Partei- und Fraktionschefs sowie Minister hatten im Kanzleramt getagt. Fast 20 Stunden lang, dann wurde der Ausschuss unterbrochen. Der Grund: Der Kanzler und die führenden Minister müssen in die Niederlande reisen. Auf dem Programm stehen die vierten deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen. Die Fortsetzung der Koalitionsgespräche folgt nun am Dienstagvormittag.

Kurz bevor es in die Niederlande geht, machen sich die Protagonisten noch mal frisch. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Lindner trifft als letzter gut gelaunt am Flughafen ein. Einer verpasst die Reise in die Niederlande jedoch: Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) muss die Ampel-Sitzung nach- und die nächste schon wieder vorbereiten. Außenministerin Baerbock wiederum wollte eigentlich schon vorher einen Termin in den Niederlanden wahrnehmen. Daraus wurde nichts, der Ampel-Zwist kam dazwischen.

Viel geschlafen habe man nicht, die meisten gar nicht, heißt es dann im Flieger. Man sei immer wieder in kleinen, dann in größeren Runden zusammengekommen. Inhaltliches erfährt man nicht, man wolle den Gesprächen am nächsten Morgen jedoch nicht vorgreifen, heißt es parteiübergreifend. Und doch gibt es eine kleine Notoperation: Kaum in den Niederlanden gelandet, gibt der Kanzler ein Statement zu den Koalitionsverhandlungen ab. Tenor: Man habe „sehr vertraulich, sehr freundlich“ verhandelt und „Verständigungen begonnen“, sagt der Kanzler. Nach 20 Stunden eine bemerkenswerte Aussage, witzelt einer aus dem Kabinett.

Scholz aber gibt das Statement am Flughafen auch deshalb ab, um nicht in der Pressekonferenz mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte Fragen nach der heimischen Koalition beantworten zu müssen. So ganz gelingt das nicht, Scholz wird später bei der Pressekonferenz erneut nach dem Ampel-Streit gefragt. Nein, er habe nicht schlafen können, aber „ich freue mich auf den schönen Abend in den Niederlanden“. Man habei n der Ampel-Koalition intensiv daran gearbeitet, den Fortschritt in Deutschland zu gestalten, etwa in der Energiewende. Dafür nehme man sich, wenn nötig, eben Zeit. „Wie gesagt, es ist eine nette Zwischenzeit hier in den Niederlanden.“ Und er sei überdies erfahren in Nachtsitzungen, die habe es auch unter der schwarz-roten Koalition gegeben, fügt Scholz noch hinzu.

Der Termin in Rotterdam ist für den Kanzler tatsächlich angenehmer als die nächtlichen Stunden im Kanzleramt. Im Mai vergangenen Jahres hatte der SPD-Regierungschef seinen Antrittsbesuch bei Rutte in Den Haag absolviert. Beide Länder arbeiten eng zusammen, auch zwischen den Regierungschefs passt es. „Wir teilen viel mehr als nur eine gemeinsame Grenze“, betont Rutte. Man sei sich einig in der weiteren Unterstützung der Ukraine, in allen Bereichen und so lange es nötig sei. Auch der Kanzler betont die Gemeinsamkeiten in der Sicherheitspolitik. Gerade in diesen „unsicheren Zeiten“ sei er zufrieden, „dass unsere Länder auch militärisch so eng zusammenarbeiten“, betont Scholz.

Den Abschluss des kurzen Besuchs bildet eine gemeinsame Plenarsitzung beider Regierungsdelegationen unter Leitung von Scholz und Rutte. Scholz fliegt derzeit sehr oft mit seinen Kabinettskollegen, diesmal waren auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit an Bord. Nach den Regierungskonsultationen mit Japan vorletzte Woche ist es bereits das zweite Krisentreffen binnen kurzer Zeit. Es ist eine Strategie: Mit der Anreise des halben Kabinetts sollen die Kontakte mit bestimmten Ländern bewusst aufgewertet werden - sie werden quasi als „besonders beste Freunde“ Deutschlands ausgezeichnet.

Die Idee: Anders als beim Besuch einer Ministerin oder des Regierungschefs sollen die bilateralen Beziehungen in der Breite ausgebaut werden. Das soll die besondere Wertschätzung zeigen. Mittlerweile haben wechselnde Bundesregierungen etwa mit Brasilien, China, Frankreich, Indien, Israel, Italien, Niederlande, Polen, Russland, Spanien und der Türkei Regierungskonsultationen abgehalten - und seit letztem Wochenende eben auch mit Japan. Tatsächlich ist das Format so attraktiv, dass nach Angaben aus Regierungskreisen hinter den Kulissen viele Staaten anklopfen und bitten, ob Berlin nicht auch mit ihnen solch intensive Kontakte pflegen könnte. Doch die Reisen sind aufwendig. Und kommen manchmal zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

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