CSU bangt um absolute Mehrheit Stoiber plant angeblich "Konter-Revolution"

Düsseldorf (RPO). Vier Tage sind es noch bis zur Landtagswahl in Bayern - und alles ist ein wenig anders. Die CSU muss um ihre absolute Mehrheit und damit um ihren Sonderstatus im Bund bangen. Der geschasste Edmund Stoiber lässt keine Gelegenheit aus, um seine erfolglosen Nachfolger Beckstein und Huber vor großem Publikum zu piesacken. Jetzt macht sogar das Gerücht einer bevorstehenden "Konter-Revolution" die Runde.

Vor der Landtagswahl: CSU am Scheideweg
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Es war der Mittwochabend letzter Woche in Freising. Hier in Bayern, könnte man meinen, ist die politische Welt noch in Ordnung. Seit über 40 Jahren regiert die CSU mit absoluter Mehrheit. Doch die heile Welt der Christsozialen ist ins Wanken geraten. Das weiß auch Edmund Stoiber, als er das Festzelt mit 4000 Anhängern betritt - sein erster großer Auftritt, seitdem er 2007 in Kreuth als Ministerpräsident gestürzt wurde.

Stoiber, in der Partei immer noch äußerst populär, legt direkt los. Der Stolz auf die Heimat, der Gleichklang von CSU und Bayern, Laptop und Lederhose: "Genau das ist der Mythos der CSU", sagte der Oberbayer. Die "Übereinstimmung von Land und Partei", dieses "bayerische Lebensgefühl immer zu treffen und zu artikulieren" sei Erfolgsgeheimnis und Aufgabe jeder Generation der CSU, mahnte der CSU-Ehrenvorsitzende. "Ich hoffe, dass meine Nachfolger Erwin Huber und, äh", sagte er und sah auf sein Manuskript, bevor er fortfuhr: "Günther Beckstein ebenfalls das alles schultern."

Genau das ist fraglich. Günther Beckstein als Ministerpräsident und Erwin Huber als Parteichef wirken farblos, agieren unglücklich. Als jüngstes Beispiel sei die "Zwei Maß sind okay"-Debatte genannt, die Beckstein eher unfreiwillig ausgelöst hatte. Die Profilierung über Wohltaten für die Bürger funktioniert ebenfalls nicht.

Wahlkampf mit Wohltaten

Huber propagiert permanent die volle Wiedereinführung der Pendlerpauschale - dabei hatte die CSU der Kürzung einst zugestimmt. Familienministerin Christa Stewens sekundierte auf einem anderen Feld. "Die Lebenshaltungskosten sind enorm gestiegen. Um gerade Familien stärker zu entlasten, brauchen wir schnellstmöglich eine Anhebung der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes", sagte sie den "Ruhr Nachrichten".

Fest steht: Bei den Landtagswahlen am 28. September wird es eng für die CSU. Das Jahrhundertergebnis des letzten Urnengangs ist in weiter Ferne. In der Sonntagsfrage kommen die Christsozialen laut TNS Emnid auf 49 Prozent. Die SPD läge bei 20, Grüne und FDP bei jeweils acht, die Freien Wähler bei sieben und - ganz wichtig - die Linke bei fünf Prozent.

Genau hier sieht Stoiber den Knackpunkt. "Der Verlust der absoluten Mehrheit am 28. September wäre "das Schlimmste, was passieren kann", warnte Stoiber. "Dann werden wir nicht mehr in Deutschland diese besondere Rolle spielen!" Erstaunt sei er, wie selbstverständlich manche schon vier, fünf, gar sechs Parteien im bayerischen Landtag sehen: "Wir dürfen das niemals als selbstverständlich hinnehmen!"

Was Stoiber in Freising sagt, ist keineswegs übertrieben. Nur 38 Prozent der Bayern wünschen sich weiter eine Alleinregierung der CSU - aber genau dieser Umstand sicherte der Partei den außergewöhnlichen Einfluss in der Bundespolitik, den Franz-Josef Strauß seinerzeit zementierte. Aber nicht nur für die CSU, sondern auch für Huber, Beckstein und Generalsekretärin Christine Haderthauer steht die Zukunft auf dem Spiel. Mit Europaminister Markus Söder, Innenminister Joachim Herrmann und Fraktionschef Georg Schmid laufen sich angeblich bereits ambitionierte Nachfolger warm. Horst Seehofer schielt auf den Parteivorsitz.

Am Mittwoch konnte die Parteispitze allerdings in der Münchner "Abendzeitung" die Schlagzeile lesen: "Vorsicht, CSU! Stoiber plant den Umsturz". Der frühere Ministerpräsident und Parteichef hatte im Januar 2007 nicht ganz freiwillig seinen Rückzug angekündigt, nachdem sich Beckstein und Huber bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth über eine gemeinsame Nachfolge-Regelung verständigt hatten. Nun arbeitet er dem Blatt zufolge an der "Konter-Revolution", indem er die "Strippen" für eine Machtübernahme Seehofers zieht.

Lebenswerk in Gefahr

Bei aller Spekulation: Stoiber weiß um die Unwägbarkeiten. Eine Niederlage mit folgender Selbstzerfleischung würde sein Lebenswerk gefährden. Deswegen holte er zum Rundumschlag aus. Wenn man "mit hängenden Schultern rumläuft und sagt, vielleicht langt's noch, 49 Prozent sind auch was - das ist nicht mehr der Mythos der CSU", kritisierte der Ehrenvorsitzende. Das richtete sich gegen Beckstein, der gesagt hatte, bei 50 minus X gehe die Welt auch nicht unter.

Aber auch die Basis nahm sich Stoiber gehörig zur Brust. "Das Schlimmste, was uns droht, ist diese Gleichgültigkeit, diese Wurstigkeit", sagte er und äffte mit schleppender Stimme einen wahlmüden Bayern nach: "Lass mer doch mei Ruh, sind doch eh alle gleich." Er forderte von der gesamten Partei mehr Siegeswillen und warnte davor, den Anspruch der CSU auf die alleinige Führungsrolle preiszugeben.

Ob er selbst mit seinem völlig überraschenden Kurswechsel nach der letzten Landtagswahl, mit seinem harten Sparkurs in der Verwaltung bis hin zu den Schulen zu der Missstimmung gegenüber der CSU beigetragen hat, fragt Stoiber nicht. Statt dessen siegt die Parteiräson: Zum Schluss seiner gut einstündigen Rede rief Stoiber seine Anhänger zur Unterstützung für das Führungstandem auf. "Geben Sie das Vertrauen, das Sie mir so lange gegeben haben, auch meinen Nachfolgern", sagte er und machte den besorgten CSU-Mitgleidern noch einmal Mut: "Wir sind da, und wir werden gewinnen!"

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