Politik streitet um Angebot Steuer-Daten kommen von britischer Großbank

Hamburg (RPO). Die Daten von 1300 mutmaßlichen Steuersündern für 2,5 Millionen Euro: Offenbar hat ein Angestellter der britischen Großbank HSBC den deutschen Behörden dieses unmoralische Angebot gemacht. Die Offerte führt nun in der Politik zu einem heftigen Streit um den Ankauf der CD mit den Daten. Während die Opposition zu einem Kauf rät, gibt sich die Regierung zurückhaltend.

Die CD mit Schweizer Kontodaten mutmaßlicher deutscher Steuerflüchtlinge stammt nach Informationen der Zeitung "Financial Times Deutschland" von der britischen Großbank HSBC. Dabei soll es sich dem Bericht zufolge um Daten handeln, die ein Informatikspezialist der HSBC Private Bank in Genf, der 37-jährige Hervé Falciani, bereits im vergangenen August den französischen Behörden angeboten hatte. Die französischen Fahnder sprachen demnach damals von 130.000 Datensätzen von Kunden aus aller Welt. Die HSBC erklärte dagegen, es seien "weniger als zehn Kunden" betroffen.

Den "FTD"-Informationen zufolge will Falciani den deutschen Behörden nun Daten von 1300 deutschen Kunden für 2,5 Millionen Euro verkaufen. Der Fiskus könnte mit Einnahmen von den Steuersündern in Höhe von 100 Millionen Euro rechnen.

Der Informatiker hatte bei der HSBC tausende Kundendaten abgegriffen und die Namen mutmaßlicher französischer Steuerflüchtlinge im vergangenen Jahr an die Regierung in Paris weitergereicht. Diese drohte Steuersündern mit Verfahren, wenn sie sich bis Jahresende nicht selbst anzeigten. Die Affäre hat zu einem offenen Konflikt zwischen Frankreich und der Schweiz geführt.

Gabriel rät zum Kauf

Unterdessen streiten deutsche Politiker, ob das Angebot wahrgenommen werden soll. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist dafür: "Wir können Ganoven nicht laufen lassen, nur weil sie von Ganoven entlarvt werden", sagte Gabriel der "Süddeutschen Zeitung". Der SPD-Chef warnte die Bundesregierung: Wenn sie auf diese Daten verzichte, "setzt sie sich einmal mehr dem Verdacht aus, ihre Politik an den Interessen einer Klientel von Wohlhabenden auszurichten", sagte er.

Gegen Steuersünder müsse man hart vorgehen, forderte Gabriel: "Wenn wir über Sozialbetrüger in diesem Land reden, dann sind es doch diese Leute", sagte der SPD-Chef. "Sie nehmen von der Schule bis zum subventionierten Theaterticket staatliche Leistungen in Anspruch, bringen aber ihr Geld ins Ausland."

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger rät ebenfalls zum Ankauf der umstrittenen Informationen. In der "Bild" forderte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, das Material nicht abzulehnen: "Schäuble sollte die Daten kaufen. Das hätte eine gute Abschreckungswirkung", sagte Bofinger. Der Wirtschaftsexperte betonte zugleich, die Bundesbürger müssten in Deutschland ihre Steuern zahlen.

Der Chef der Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, argumentierte in dem Blatt, es mache keinen Unterschied, ob der Finanzminister für diese Hinweise Geld zahle oder die Staatsanwaltschaft für Hinweise zur Ergreifung eines Straftäters Belohnungen auslobe. Gesetzestreue Steuerzahler hätten einen Anspruch darauf, dass der Staat Steuersünder zur Kasse bitte.

CDU uneins

Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach spricht sich nicht kategorisch dagegen aus, illegal beschaffte Daten mutmaßlicher deutscher Steuersünder zu kaufen. "Ich gehöre jedenfalls nicht zu denjenigen, die sagen: Sofort Hände weg von dieser CD!", sagte Bosbach der in Erfurt erscheinenden Zeitung "Thüringer Allgemeine". Der Staat habe so immerhin die Möglichkeit, zahlreiche Straftaten aufzuklären.

Nach Ansicht des CDU-Politikers ist es immer eine schwierige Abwägung zwischen der Tatsache, dass Daten illegal erworben wurden und dem Nutzen, den der Staat von diesem Material haben könnte. Bosbach stellte aber auch klar: "Wenn der Staat von vorneherein keine illegal erworbenen Daten nutzen dürfte, müsste das auch für alle anderen Fälle gelten." Dies sei aber nicht der Fall. Oft genug würden Verbrechen dadurch aufgeklärt.

Bosbachs Parteikollege, Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), hat dagegen "erhebliche Vorbehalte" gegen einen Ankauf der Daten-CD. "Wenn der Staat für aus Verbrechen erlangte Daten Geld zahlt, ist das Risiko groß, dass er damit zu weiteren Straftaten ermuntert", sagte Kauder der "Süddeutschen Zeitung". "Diebstahl bleibt Diebstahl. Mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemeinmachen", sagte Kauder.

Der Berliner Staatsrechtler Rupert Scholz (CDU) meldete "ethisch-moralische" Bedenken gegen den Ankauf das Datenmaterials an. "Der Staat darf sich nicht auf dieses Niveau begeben", betonte Scholz in der "Bild"-Zeitung.

Nicht der erste Fall

In der Liechtenstein-Affäre vor zwei Jahren hatte der Bundesnachrichtendienst für Datensätze über Steuersünder fünf Millionen Euro gezahlt. Die Daten führten zu Ermittlungen gegen rund 700 Steuersünder, unter ihnen der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel.

Das Bundesfinanzministerium wollte zu dem neuen Fall keine Stellung nehmen, wie ein Sprecher erklärte. Der Finanzverwaltung oder auch dem Bundesfinanzministerium würden aber immer wieder Daten zur Verfügung gestellt.

Die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard sagte der Nachrichtenagentur SDA, "generell halten wir es für ziemlich schwierig, wenn ein Rechtsstaat illegale Daten verwendet". Verteidigungsminister Ueli Maurer sagte dem Schweizer Fernsehsender SF, sein Vertrauen in Deutschland werde erschüttert, wenn der deutsche Staat für "geklaute Daten" zahle.

(AFP/ddp/ndi)
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