Entscheidung Verfassungsgericht Warum die Sterbehilfe nicht gelockert werden darf

Meinung · Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit dem Thema Sterbehilfe befassen. Die Kläger verlangen eine Lockerung der Sterbehilfe. Dabei hatte der Bundestag im Jahr 2015 einen sehr guten Kompromiss gefunden.

 Das Bundesverfassungsgericht will im Herbst sein Urteil zum Thema Sterbehilfe sprechen.

Das Bundesverfassungsgericht will im Herbst sein Urteil zum Thema Sterbehilfe sprechen.

Foto: dpa/Uli Deck

Allzu oft kann man nur froh sein, wenn die Verfassungsrichter in Karlsruhe die Politik in Berlin korrigieren. Für das Thema Sterbehilfe gilt das nicht. Im Jahr 2015 hat der Bundestag nach einer langen von Parteipolitik befreiten Debatte eine kluge Lösung gefunden. Seitdem ist es Ärzten und Vereinen verboten „geschäftsmäßig“ Sterbewilligen beim Suizid zu helfen. Das bedeutet, dass die Hilfe zur Selbsttötung nicht in größerem Stil organisiert werden darf. Durch Angehörige oder Vertrauenspersonen ist sie individuell möglich. Damit hat der Gesetzgeber Respekt vor dem Willen Todkranker gezeigt, zugleich aber richtigerweise eine Grenzlinie für die Gesellschaft insgesamt gezogen.

Jede Form der Sterbehilfe wäre fatal, die das gesellschaftliche Signal setzt: Wer des Lebens müde ist und Sorgen hat, anderen zu Last zu fallen, für den gibt es den Ausweg, sich selbst zu töten. Eine Gesellschaft, die wie unsere auf Selbstoptimierung ausgerichtet ist, kann bei breiter Akzeptanz und vielfältigen Angeboten für assistierten Suizid schnell in einen Abwärtsstrudel geraten. Wir sind es gewohnt, Kontrolle über unser Leben zu haben, diese wünschen wir uns auch für den Tod. Der Tod ist ein Spiegel unseres Lebens – umso mehr muss der Grundsatz hochgehalten werden, dass Menschen nicht das Leben anderer Menschen beenden dürfen. Erst sind es nur die Todgeweihten, die schwer leiden, denen man den Weg in den Selbstmord ebnet. Dann könnten auch Schwerkranke, Depressive und insbesondere Pflegebedürftige folgen. In einer rasch alternden Gesellschaft, für die es immer schwieriger wird, die Lasten für Pflege und Gesundheitsversorgung sozial verträglich und sozial gerecht zu verteilen, gilt diese Gefahr umso mehr.

Das Bedürfnis vieler Menschen, dass sie niemandem zur Last fallen möchten, ist nachvollziehbar. Wer will das schon? Er ist aber kein Grund für einen Suizid. Vielmehr sagen viele Palliativmediziner, dass der Wunsch zu sterben von Todkranken und Pflegebedürftigen dann nachlässt, wenn ihnen gut geholfen wird und sie sich mit ihrem Leid akzeptiert fühlen. Niemand wird mit seinem Leid alleine gelassen: Todkranken, die an schlimmen Schmerzen leiden, dürfen hochdosierte Arzneien gegeben werden - auch wenn diese den Sterbensprozess beschleunigen.

Die Schwierigkeit bei Sterbehilfevereinen ist, dass sie den gewünschten Suizid voraussetzen. Der assistierte Selbstmord muss geplant werden, indem man einige Jahre als zahlendes Mitglied dem Verein angehört. Wer spontan die Dienste eines solchen Vereins in Anspruch nehmen möchte, muss eine größere Summe hinblättern. Ethisch ist das nicht vertretbar.

(qua)
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