SPD-Sonderparteitag Steinmeier und Müntefering gewählt

Berlin (RPO). Der SPD-Sonderparteitag in Berlin hat Frank-Walter Steinmeier mit 95 Prozent der Stimmen zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2009 gewählt. Franz Müntefering ist mit 85 Prozent zum zweiten Mal zum SPD-Vorsitzzenden gewählt worden. In der letzten Wahl bekam er noch 95 Prozent der Stimmen. Steinmeier rief die Genossen zur Geschlossenheit auf und warb für ein Mittelstands-Konjunkturprogramm.

SPD-Sonderparteitag: Steinmeier und Müntefering gewählt
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Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier ist Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2009. Ein Sonderparteitag der SPD in Berlin nominierte ihn am Samstag mit überwältigender Mehrheit. Steinmeier erhielt in geheimer Abstimmung 469 Ja-Stimmen der rund 500 Delegierten. Das sind 95,13 Prozent. Es gab 15 Neinstimmen und neun Enthaltungen.

Franz Müntefering erhielt bei der Wahl zum Parteichef 403 Ja-Stimmen der rund 500 Delegierten. Das entspricht einer Zustimmung von 85 Prozent. Müntefering bekleidete das Amt des SPD-Vorsitzenden bereits von 2004 bis 2005.

Steinmeier ist damit der zehnte Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten. Er hatte zuvor in einer kämpferischen Rede die SPD auf die bevorstehenden Herausforderungen eingestimmt und den Regierungsanspruch der Sozialdemokraten bekräftigt. Der 52-jährige enge Vertraute und Kanzleramtschef des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) trug wesentlich zu den Reformen der "Agenda 2010" bei. Steinmeier hatte nach dem Rückzug des früheren SPD-Parteivorsitzenden Kurt Beck im September 2008 kommissarisch den SPD-Parteivorsitz inne.

Steinmeier rief die Partei nach den Querelen der vergangenen Monate zur Geschlossenheit auf. Angesichts der Finanzmarktkrise forderte er einen "Schutzschirm für die Arbeitsplätze in Deutschland" und warb für ein Mittelstands-Konjunkturprogramm.

Die SPD krämpelt die Ärmel hoch

Die SPD feierte sich, ihren Kanzlerkandidaten und den neuen Vorsitzenden Franz Müntefering auf ihrem Sonderparteitag in Berlin: "Ärmel hochgekrempelt! Wir wollen die Bundestagswahl gewinnen", rief Müntefering den Genossen zu. Die Zeit sei reif für sozialdemokratische Konzepte. "Wir wollen die politische Meinungsführerschaft wiedergewinnen", sagte er. "Die anderen", die Koalitionspartner von CDU und CSU, hätten zwar die Kanzlerin, aber nicht die Antworten auf die außerordentlichen Herausforderungen in Zeiten der globalen Finanzkrise.

Der Kandidat Steinmeier hielt eine über einstündige Rede, in der der der Außenminister alles ansprach, was das Land derzeit bewegt, von der Finanzkrise über die Bildung bis zur Energiepolitik. Sieben Minuten lang belohnten die Delegierten des Parteitags ihn dafür mit stehenden Ovationen. Und zeigten sich sicher, dass er gegen Merkel eine realistische Chance hat. "Frank, du machst das", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Nahles.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit bescheinigte dem Kandidaten, der unter Rot-Grün bereits Kanzleramtschef war: "Er muss nicht an Zäunen rütteln, er kennt sich aus." Der, der damals am Zaun des Kanzleramtes rüttelte, Altkanzler Gerhard Schröder, umarmte Steinmeier herzlich und reckte den Daumen nach oben. So viel Einigkeit, so viel Zuversicht haben die Sozialdemokraten lange nicht ausgestrahlt.

Die Finanzkrise schweißt die SPD zusammen

Zuletzt war die Partei zerrissen von Flügelkämpfen und verzweifelt am glücklosen Agieren ihres Parteichefs Kurt Beck, der vor sechs Wochen entnervt das Handtuch warf. Doch die internationale Finanzkrise und der dadurch entstandende Handlungsdruck hat die Genossen zusammengeschweißt. Sie wittern Morgenluft für ihr politisches Konzept regulierter Märkte, für Mindestlöhne und eine Deckelung von Managergehältern. Entspannt traten sich unter diesen Umständen auch die Kontrahenten Müntefering und Nahles gegenüber.

Die Parteilinke war 2005 der Auslöser für den Rücktritt des Sauerländers vom Parteivorsitz nach nur eineinhalb Jahren gewesen. Beim "Vorwärts"-Fest am Vorabend des Parteitags malte Müntefering aus, dass er zum 150. Jubiläum des Parteiblattes 2026 schon 18 Jahre Vorsitzender sein würde, und wandte sich ironisch an Nahles mit den Worten: "Andrea kann sich gar nicht richtig freuen." Diese lachte gelöst über den gelungenen Scherz.

"Eine Partei - horizontal und vertikal"

"Wir müssen eine Partei sein: horizontal und vertikal", mahnte Müntefering. Außenminister Steinmeier hieb in die gleiche Kerbe: "Wenn's drauf ankommt, dann sind wir eine Partei, und das muss jetzt so bleiben." Stärke und Geschlossenheit seien Pflicht, "weil unser Land uns jetzt braucht". Zum Zeichen dieser Geschlossenheit lag dem Parteitag ein einstimmiger Beschluss des Parteivorstands zur Finanzkrise vor, der die Flügel gleichermaßen bedient: Er forderte konjunkturelle Einzelmaßnahmen zur Abfederung eines drohenden Abschwungs, aber "kein Riesenkonjunkturprogramm", wie Generalsekretär Hubertus Heil formulierte.

Steinmeier formulierte bewusst schwammig: "Nach dem Rettungsschirm für die Banken brauchen wir jetzt auch einen Schutzschirm für die Arbeitsplätze in Deutschland." Auch den Flügelstreit um das Schrödersche Reformprogramm Agenda 2010, für das auch Müntefering und Steinmeier stehen, legte er nebenbei zu den Akten. Die Schaffung Millionen neuer Arbeitsplätze habe bewiesen: "Wir haben richtig gehandelt, und wir sollten dazu stehen." In ihrer neuen Einigkeit zeigte die SPD auch Großmut.

Dank auch an Kurt Beck

Den geschassten Parteichef Beck würdigte Steinmeier mit den Worten: "Kurt, du hast uns und unsere Partei durch schwierige Zeiten geführt, dafür schulden wir dir aufrichtigen Dank." Beck war dem Parteitag sicherheitshalber ferngeblieben.

(ap)
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