Jobcenter-Reform Steinmeier: "Tohuwabohu und Unruhe"

Berlin (RPO). Die 16 Bundesländer wollen das Nein der Unionsfraktion zur Reform der Jobcenter nicht hinnehmen. Während der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mit einer Bundesratinitiative rechnet, fordert Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Union auf, konstruktive Regierungsarbeit zu leisten. Auch von der NRW-CDU gab es Kritik an CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder und Parlamentsgeschäftsführer Norbert Röttgen.

 In einem Jobcenter in Berlin Tempelhof hat ein 34-Jähriger mit einer Axt für Schrecken gesorgt.

In einem Jobcenter in Berlin Tempelhof hat ein 34-Jähriger mit einer Axt für Schrecken gesorgt.

Foto: AP, AP

Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte von der Union eine Rückkehr zu einer konstruktiven Regierungsarbeit. "Tohuwabohu und Unruhe", die vor allem die CSU und deren Vorsitzender Horst Seehofer zu verantworten hätten, schadeten nicht nur der Union, sondern der Koalitionsarbeit "und am Ende dem Wohl des Landes", sagte der SPD-Kanzlerkandidat dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch die Absage der Union und von Bundeskanzlerin Angela Merkel an eine Reform der Jobcenter sei "unverständlich und nicht gut für das Land".

Die Bevölkerung habe zu Recht kein Verständnis, "wenn wir angesichts der Krise die Hände in den Schoß legen würden", sagte Steinmeier. Er warnte zudem Union und FDP vor falschen und unbezahlbaren Wahlversprechen: "Wer in diesem Wahlkampf riesige Steuersenkungen verspricht, handelt unredlich." Gerade in der Krise sei ein starker, handlungsfähiger Staat für Investitionen und den Erhalt von Arbeitsplätzen notwendig.

Beck: Basis für Bundesratsinitiative

"Über die Parteigrenzen hinweg haben alle 16 Bundesländer dem vorliegenden Konzept zugestimmt. Das ist eine gute Basis für eine Bundesratsinitiative", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) dem "Hamburger Abendblatt". Er halte es "für dringend notwendig und auch für möglich, noch vor der Bundestagswahl zu einer Lösung bei den Jobcentern zu kommen". Beck griff Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf an: "Das Handeln der Bundeskanzlerin ist in der gegenwärtigen Phase besorgniserregend schwach. Sie konnte nicht einmal verhindern, dass die Reform der Arbeitsverwaltung an Kraftspielen innerhalb der Union scheitert." Wenn Merkel die Unionsfraktion im Bundestag nun "zur Besinnung bringt, kann alles ganz schnell gehen", sagte Beck.

Kauders Kritik, wonach der von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD), NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und ihm selbst erarbeitete Reformplan verfassungswidrig sei, bezeichnete Beck als "Unsinn". Das Nein der Unionsfraktion habe mit den Jobcentern überhaupt nichts zu tun, sagte der SPD-Politiker. "Unser Koalitionspartner trägt innerparteilichen Streit zu Lasten der Langzeitarbeitslosen aus."

Schwere Vorwürfe aus der NRW-CDU

Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Hendrik Wüst, griff Kauder ebenfalls scharf an. "Es ist erstaunlich, dass er dieses Eigentor schießt", sagte Wüst am Freitag dem Portal "Cicero-Online". Die Fraktionsführung in Berlin müsse sich im Klaren sein, "dass bei der Bundestagswahl im September nicht diejenigen gewinnen, die die schönste Verfassungstheorie haben". Bei der Wahl gehe es "um Arbeitsplätze und Wachstum. Und genau das war der Antrieb beim Jobcenter-Kompromiss mit der SPD", sagte Wüst. Die NRW-CDU habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, vielleicht doch noch einen Kompromiss zu finden.

Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" vom Freitag erwägen auch die Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder, die geplante Reform doch noch über den Bundesrat durchzusetzen. Die Reform sei sachlich geboten und auch parteipolitisch angebracht, da der SPD ansonsten "ein Wahlkampfthema" geliefert werde, schrieb die Zeitung unter Berufung auf Unionskreise. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die den Kompromiss abgelehnt hatte, seien "Verfassungsästheten" am Werke, die das Problem rein formal betrachteten.

Nach einem Bericht der Zeitung wirft der CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen Röttgen vor, die Landes-CDU zu spalten. Es herrsche "tiefe Verärgerung" über Röttgen, der selbst der Parteiführung angehört. "Röttgen handelt gegen die Interessen der kleinen Leute und der Bundesländer", zitierte die Zeitung aus der Parteispitze in Düsseldorf. Noch am Tag vor dem Nein der Bundestagsfraktion zur Jobcenter-Reform habe der Chef der Düsseldorfer CDU-Landtagsfraktion, Helmut Stahl, seinen Berliner Amtskollegen Kauder schriftlich aufgefordert, den Kompromiss zu unterstützen. Die Landtagsfraktion sei "sehr besorgt über die sich abzeichnende Haltung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag", zitierte die Zeitung aus dem Brief.

(AFP)
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