Sicherheitskonferenz in München Steinmeier emanzipiert sich von Merkel

München (RP). Den Auftakt der Sicherheitskonferenz in München hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier genutzt, sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel abzugrenzen. Während die CDU-Kanzlerin vorerst an der nuklearen Abschreckung festhalten will, betonte der SPD-Kanzlerkandidat die Vision einer atomwaffenfreien Welt.

Hier trifft Steinmeier die neue US-Außenministerin
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Damit hatte Steinmeier zugleich auch den ersten wunden Punkt der aktuellen Sicherheitslage angesprochen: Die Befürchtung, dass der Iran nach der Atomwaffe greift. Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani behauptete in München zwar, sein Land halte sich an die einschlägigen Kontrollmechanismen. Gleichzeitig beklagte er aber "doppelte Standards" des Westens, der Atomwaffen in Israel, Indien und Pakistan akzeptiere.

Nachdem Diskussionsteilnehmer Laridschani die Leugnung des Holocaust vorgehalten hatte, bekam die Konferenz sogleich eine Kostprobe weiterer iranischer Provokationen: Er sei nun mal "kein Historiker", sagte Laridschani und verwies darauf, dass im Gegensatz zu der Situation in europäischen Ländern im Iran das Leugnen des Holocausts "nicht verboten" sei.

Damit war klar: Bis zu wirkungsvollen Gesprächen jenseits propagandistischer Schlagabtausche mit dem Iran ist es wohl noch ein weiter Weg. Ein kurzer aber offenbar zum Aufbau eines direkten Drahtes zu Teheran. Steinmeier sprach jedenfalls schon einmal die Erwartung aus, dass die neue Obama-Administration die jahrzehntelange Eiszeit in den amerikanisch-iranischen Beziehungen beenden und zu unmittelbarer Kommunikation übergehen werde.

Premiere für Obama-Team

Dazu besteht am Samstag und Sonntag in München sogleich Gelegenheit: Die amerikanische und die iranische Delegation sind im selben Hotel; eine Begegnung nicht nur zufälliger Art auf den Hotelfluren wird für möglich gehalten. Schließlich hat Washington dem Treffen der wichtigsten Sicherheitsexperten der Welt in München eine herausragende Bedeutung verliehen. Seit den Präsidentschaftswahlen hatte Obamas Team sich bemüht, die Veranstalter der Münchner Konferenz zu einer Verschiebung um einen Monat zu bringen. Keine drei Wochen nach der Amtseinführung glaubte das Weiße Haus, noch nicht alle neuen Konzepte für die Welt fertig zu haben.

Der neue Leiter der Sicherheitskonferenz, der frühere Außenamtsstaatssekretär und Berliner Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger, ließ sich jedoch nicht erweichen. Zur Belohnung erfährt die Welt nun erstmals in München, wie sich die amerikanische Regierung bei den wichtigsten Herausforderungen der Welt neu aufstellt. Dafür hat Obama seinen Vizepräsidenten Joe Biden und seinen Sicherheitsberater James Jones geschickt. Und eine riesige Delegation, die in zahlreichen vertraulichen Gesprächen der neuen Obama-Strategie international in München den Boden bereiten will.

Steinmeiers Impulse zur Abrüstung

Die ersten Impulse zur Abrüstung setzte Außenminister Steinmeier bereits bei der Eröffnung. Er lobte den russischen Verzicht auf eine Raketenstationierung in Kaliningrad und mahnte, das "Fenster der Geschichte" sei nun "eine Weile geöffnet". Außerdem regte er an, eine Gruppe wichtiger Persönlichkeiten möge sich über neue Perspektiven für die Nato Gedanken machen. Benötigt werde eine neue Sicherheitsarchitektur, die auch in Europa "Russland wirksam einschließt".

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger griff den Vorstoß auf und forderte, Russland nicht länger als potenzielle Bedrohung, sondern als potenziellen Partner zu sehen. Mit grundsätzlichem Optimismus blicken auch die Machthaber in Teheran auf den Machtwechsel in den USA. Jetzt müsse Amerika einsehen, dass die Staaten der Region "mit den USA Schachspielen und nicht boxen" wollten.

Iran muss sich an Zusatzprotokoll halten

Diese Gleichung behagte dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde und Friedensnobelpreisträger Mohamed El Baradei erkennbar nicht. Es sei doch klar, was nun zu geschehen habe. Als erstes müsse der Iran sich an die Zusatzprotokolle halten und somit Zweifel an der bloß friedlichen Nutzung der Atomenergie zerstreuen. Dann seien zwei Schritte auf einmal gefragt: Teheran müsse sein nukleares Anreicherungsprogramm einfrieren, im Gegenzug solle der Westen seine Sanktionen einfrieren.

Dann seien die Voraussetzungen für erfolgversprechende Gespräche gelegt. "Wir müssen einfach anfangen," rief El Baradei — und zeigte sich entsprechend erfreut zeigte sich El Baradei über die ersten Kontakte in München. Er höre, dass Präsident Obama zu einer derartigen Annäherung an den Iran bereit sei.

Es scheint, als solle in München das "Fenster der Geschichte" weit aufgestoßen werden.

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