Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse Steinbach-Kompromiss: Beschämend und enttäuschend

Frankfurt/Main (RPO). Auch wenn sich die Regierung und der Bund der Vertriebenen im Fall Steinbach geeinigt haben – die Debatten gehen weiter. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat den Kompromiss, auf den sich die Fraktionschefs der schwarz-gelben Koalition mit dem BdV und deren umstrittener Präsidentin Erika Steinbach (CDU) im Streit um die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" am Donnerstag in Berlin einigten, scharf kritisiert.

 Wolfgang Thierse (SPD) will komplett nach Berlin ziehen.

Wolfgang Thierse (SPD) will komplett nach Berlin ziehen.

Foto: ddp, ddp

Frankfurt/Main (RPO). Auch wenn sich die Regierung und der Bund der Vertriebenen im Fall Steinbach geeinigt haben — die Debatten gehen weiter. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat den Kompromiss, auf den sich die Fraktionschefs der schwarz-gelben Koalition mit dem BdV und deren umstrittener Präsidentin Erika Steinbach (CDU) im Streit um die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" am Donnerstag in Berlin einigten, scharf kritisiert.

Der "Frankfurter Rundschau" sagte Thierse: "Ich glaube, dass diese peinliche Hängepartie noch nicht zu Ende ist. Das ist ein Zwischenergebnis. Erika Steinbachs Erpressungsversuch war halb erfolgreich. Der BdV bekommt mehr Sitze und mehr Einfluss." Das sei beschämend für Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP).

"Ergebnis hoch problematisch"

Thierse zeigte sich von dem Ergebnis enttäuscht: "Inhaltlich ist das Ergebnis hoch problematisch. Die Stiftungsidee, nämlich die gemeinsame Erinnerung und Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn, ist hochgradig beschädigt. Als Parlamentarier begrüße ich es aber, dass der Bundestag zukünftig die Stiftungsrat-Mitglieder benennt."

Bundesaußenminister Westerwelle begrüßte die Einigung im Streit um die Vertriebenenstiftung: "So wie die Entscheidung getroffen ist, ist sie außenpolitisch klug und innenpolitisch vernünftig", sagte Westerwelle den "Ruhr Nachrichten". Es sei eine gute, sachgerechte Lösung gefunden worden. Die außenpolitischen Belange blieben gewahrt. "Mir liegt daran, dass ich keine persönlichen Animositäten gegen Frau Steinbach hege", sagte er. "Mir ging es ausschließlich darum, dass das deutsch-polnische Verhältnis nicht belastet wird. Es ist historisch belastet genug", sagte der Bundesaußenminister.

FDP begrüßt Einigung

Die Beauftragte für die deutsch-polnischen Beziehungen der Bundesregierung, Cornelia Pieper (FDP), begrüßte ebenfalls den Kompromiss: "Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden und ich gehe davon aus, dass die polnische Regierung auch sehr zufrieden sein wird. Im Vordergrund steht die Versöhnung mit Polen, da haben wir noch einiges aufzuarbeiten. Dabei ist es ein wesentlicher Beitrag, dass Frau Steinbach gesagt hat, dass sie auf die Stelle im Stiftungsrat verzichten wird. Das wird vieles erleichtern. Ich verlasse mich auf die Zusage und hoffe, dass sie Wort hält."

Kritik von Historiker Wehler

Der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler hat die Entscheidung der Regierung zur Vertriebenen-Stiftung scharf kritisiert. "Es ist kein Kompromiss, sondern eine Kapitulation vor Frau Steinbach und den Vertriebenenfunktionären", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Frau Steinbach ist zwar nun nicht mehr in dem Gremium, insofern kann dies Guido Westerwelle als einen Erfolg rühmen. Dafür wurde die Anzahl der Vertreter der Vertriebenenverbände erhöht und zudem auf etwas sehr Wichtiges verzichtet, nämlich dass die Bundesregierung sofort ein Veto gegen Personen einlegen kann, die sie nicht in dem Gremium wünscht." Dies sei deshalb wichtig, weil sich im Kreis der Vertriebenenverbände traditioneller Weise oft umstrittene Persönlichkeiten bewegten.

(DDP/felt)
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