Staatsverschuldung Warum die schwäbische Hausfrau für die künftige Ampel-Koalition so wichtig ist

Meinung | Berlin · Die Kunstfigur der schwäbischen Hausfrau macht auch bei der künftigen Ampel-Koalition Karriere. Das lässt aufhorchen, wo doch SPD und Grünen gerne neue Schulden machen wollen.

 Claudia Flemming, die Vorsitzende des Kulturvereins der schwäbischen Hausfrauen, hält in Memmingen einen Schneebesen und einen Tablet-Computer.

Claudia Flemming, die Vorsitzende des Kulturvereins der schwäbischen Hausfrauen, hält in Memmingen einen Schneebesen und einen Tablet-Computer.

Foto: picture alliance / dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Grünen-Chef Robert Habeck kennt die hohe Kunst der Debatte. Die „schwäbische Hausfrau“, die Kanzlerin Angela Merkel gerne in ihren Reden als Symbol für eine sparsame Finanzpolitik anführt, verwandelt er in ein vorsorgendes Elternteil, das sinnvolle Kredite für die Bildung der Töchter aufnimmt. Der rhetorische Kniff ist brillant und wegweisend für den Umgang mit Geld in der möglichen neuen Bundesregierung. Denn damit unterscheidet der Grünen-Politiker geschickt zwischen guten und schlechten Schulden. Ein Freifahrtschein für eine etwas lockerere Kreditpolitik, die Bürgerinnen und Bürger gut nachvollziehen können.

Eine solche Hausfrau hat also Chancen, bei der Ampel-Koalition Karriere zu machen. Nicht einmal die FDP, der niedrige Steuern wichtiger sind als eine solide Finanzpolitik, kann da ernsthaft widersprechen. Schließlich ist in Sachen Klimaschutz, Digitalisierung oder Bildung einiges liegengeblieben nach 16 Jahren Merkel.

Doch spinnt man den Gedanken zu Ende, dürfte die ökonomisch gewiefte Haushaltsvorständin genau bedenken, ob und in welcher Höhe ein Familienkredit sinnvoll ist. Zunächst würde sie überlegen, ob der Haushalt die Schulden in angemessener Zeit wieder zurückzahlen kann. Dabei spielt auch eine Rolle, wie die Hausfrau die künftige Zinsentwicklung und die Inflation einschätzt. Sie wird schauen, ob ihre Kinder wirklich in der Lage sind, die gesteckten Ziele in angemessener Zeit zu erreichen. Und womöglich wird sie eine gewisse Beteiligung der Begünstigten verlangen.

Alles in allem taugt deshalb die schwäbische Hausfrau auf keinen Fall als Freifahrtschein für neue Schulden, nur weil gerade keine andere Finanzierung möglich ist. Die von den Grünen bemühte Figur muss auch überlegen, welche Ziele sie mit der Aufnahme von Krediten ansteuert – die Ausbildung ihrer Töchter, das eigene Haus oder womöglich die lang geplante Weltreise mit ihrem Ehemann. Nur eines davon kann sie auf Pump finanzieren. Ob die Politik auch so einsichtig ist?

Der Grünen-Politiker Habeck hat recht. Die schwäbische Hausfrau wird sich nicht von vorneherein jeglicher Kreditaufnahme verschließen. Da es aber um das Geld der Familie geht, wird sie dreimal überlegen, ob sie das entsprechende Risiko eingeht. Dazu zählt ein Kassensturz und die Aussicht über die künftigen Verdienste des Haushalts. Und da spielt es auch keine Rolle, ob die Hausfrau aus Schwaben oder gar dem Rheinland kommt. Beide wissen, dass man den Euro nur einmal ausgeben kann und er vorher oder nachher verdient werden muss. Wenn Habeck und seine politischen Partner bei den Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten das alles ebenso akribisch bedenken, sollen sie von der gundgesetzlich verankerten Schuldenbremse abweichen. Nach mir die Sintflut – kann aber nicht die Devise sein. Und Milliardenpakete allein schaffen noch keinen Aufschwung.

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