"Geradezu obszön"/Schröder bleibt bei der Absenkung Spitzensteuersatz: Politiker sticheln gegen Absenkung

Berlin (rpo). Den Einschnitten für Langzeitarbeitslose durch die "Hartz IV"-Reform folgen nun Widerstände gegen die vorgesehene Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 42 Prozent. Führende Politiker von SPD und Union mahnen einen Verzicht der Senkung an.

<P>Berlin (rpo). Den Einschnitten für Langzeitarbeitslose durch die "Hartz IV"-Reform folgen nun Widerstände gegen die vorgesehene Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 42 Prozent. Führende Politiker von SPD und Union mahnen einen Verzicht der Senkung an.

Der SPD-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Sigmar Gabriel, mahnte, in Deutschland sei "mehr sozialer Patriotismus" nötig. "Wenn wir Veränderungen von Arbeitslosen und Kleinverdienern verlangen, können die Reichen nicht abseits stehen", betonte der SPD-Politiker. Er finde es "geradezu obszön", den Spitzensteuersatz zu senken und zeitgleich die Menschen mit den "Hartz IV"-Regelungen zu belasten.

Jemand, der wie er "ordentlich" verdiene, brauche im nächsten Jahr keine Steuersenkung, fügte der frühere niedersächsische Ministerpräsident hinzu. Die Rücknahme der Senkung beträfe nur Einkommen ab 52 000 Euro pro Jahr und brächte der Staatskasse 2,5 Milliarden Euro.

Unterstützung bekam Gabriel von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). "Wenn die Senkung der Spitzensteuer ab Januar 2005 aus dem Reformpaket herausgenommen wird, würde das an den Stimmen aus Sachsen-Anhalt nicht scheitern", sagte Böhmer. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass sich seine Regierung im vergangenen Jahr schon dem Vorziehen der Steuerreform widersetzt habe.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Margret Mönig-Raane, forderte einen Verzicht auf die Senkung des Spitzensteuersatzes. Moralisch sei es nicht nachvollziehbar, dass "diejenigen, die wirklich gut verdienen, noch Steuergeschenke bekommen, während am anderen Ende der Einkommensskala zusammengestrichen wird mit dem Hinweis, es fehlt an Geld", sagte Mönig-Raane. Dass "die Langzeitarbeitslosen die Steuersenkungen für die Gutverdienenden finanzieren", sei "nicht in Ordnung".

Schröder bleibt bei der Absenkung

Schröder sagte im ZDF-Sommerinterview, die letzte Stufe der Steuerreform stehe "im Gesetz, die ist beschlossen, und die wird auch durchgeführt". Die Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 42 Prozent sei notwendig zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur. Er erinnerte daran, dass auch der Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent bei Amtsantritt der rot-grünen Regierung 1998 zu Jahresbeginn auf 15 Prozent heruntergesetzt werde. "Ich glaube nicht, dass man von einer Gerechtigkeitslücke reden kann", betonte Schröder.

Auch das Finanzministerium lehnte die Forderung nach Aufschnüren des Steuersenkungspakets ab. "Die Steuerreform vermindert insbesondere die steuerliche Belastung von Arbeitnehmern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sowie von Familien mit Kindern", hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung. Die Gesamtentlastung der kompletten Steuerreform einschließlich ihrer letzten Stufe am 1. Januar betrage mehr als 40 Milliarden Euro für Privathaushalte.

Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz, kritisierte in der "Leipziger Volkszeitung", die von Gabriel angestoßene Debatte um den Spitzensteuersatz solle von Hartz IV ablenken. Die Unfähigkeit der Regierung bestehe darin, die versprochene Förderung der Arbeitslosen zeitgleich mit der Kürzung der Leistungen herzustellen.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort