Parteiausschlussverfahren Spinner, Radikale, Karrieristen — Bei der AfD wird kräftig gesiebt

Berlin · Bei neuen Parteien wird anfangs kräftig gesiebt. Das ist normal. Erst wenn ein paar Dutzend Spinner und opportunistische Karrieristen durch das Raster gefallen sind, weiß man ungefähr, wofür eine Partei steht. Bei der AfD ist dieser Prozess gerade in vollem Gange.

Zehn Fakten und Hintergründe zur AfD
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Zehn Fakten zur AfD

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Foto: dpa, Bernd von Jutrczenka

Bei neuen Parteien wird anfangs kräftig gesiebt. Das ist normal. Erst wenn ein paar Dutzend Spinner und opportunistische Karrieristen durch das Raster gefallen sind, weiß man ungefähr, wofür eine Partei steht.
Bei der AfD ist dieser Prozess gerade in vollem Gange.

Ratsmitglieder, die zusammen mit der NPD abstimmen, ein Kreisvorsitzender, der behauptet, die Alliierten hätten die Gaskammern im KZ Dachau nachträglich eingebaut — an Rechtsradikalen und Spinnern herrscht bei der Alternative für Deutschland (AfD)
wahrlich kein Mangel. Der Bundesvorstand gibt sich zwar alle Mühe, Mitglieder mit extremen Ansichten aus der Partei zu drängen. Doch die große Zahl der "Problemfälle" wird zunehmend zu einer Belastung für den Parteivorstand, der sich nach Kräften um ein bürgerliches Image bemüht.

Das Bundesschiedsgericht der AfD wurde dieses Jahr in etwa 40 Fällen angerufen. Ähnlich sieht es auf Landesebene aus, wobei es nicht bei allen Verfahren um Mitglieder vom rechten Rand geht - manchmal sind es auch nur ganz profane Machtspielchen, die hinter einem Ausschluss-Antrag stehen. Ein Parteiausschlussverfahren dauert bei der AfD mindestens einen Monat, oft noch wesentlich länger.

Parteichef Bernd Lucke wäre es am liebsten, wenn der Bundesvorstand selbst über den Parteiausschluss entscheiden könnte. Doch das ist nach dem geltenden Parteiengesetz nicht erlaubt.

Wie schwer sich die AfD, die seit diesem Sommer in drei Landtagen vertreten ist, mit der Abgrenzung nach rechts tut, zeigen Beispiele aus den vergangenen Monaten.

In Rheinland-Pfalz versucht der AfD-Landesverband aktuell seinen Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden, Christian Schreckenberger, loszuwerden. Zu den vielfältigen Vorwürfen, die gegen den Sohn des früheren Chefs des Bundeskanzleramtes, Waldemar Schreckenberger (CDU), erhoben werden, gehört, dass er nach Aussage von Parteikollegen einen Mitgliedsantrag von Heinz-Jörg Zeitzmann unterstützt hatte, und zwar obwohl Zeitzmann früher Bundestagskandidat der NPD war. Dies sei "ein No-Go für die AfD, die gerade in Bezug auf Mitglieder aus rechtsradikalen Kreisen extrem vorsichtig ist", heißt es in einem internen Schreiben des Landesvorstandes an die Parteimitglieder.

In Duisburg hat der Vorsitzende des NRW-Landesvorstand der AfD, Marcus Pretzell, vergeblich versucht, AfD-Ratsmitglied Holger Lücht aus der Partei auszuschließen, nachdem dieser im Stadtrat für eine NPD-Kandidatin gestimmt hatte. Das Schiedsgericht des Landesverbandes lehnte den Antrag des Vorsitzenden am 6. Dezember aus formalen Gründen ab. Die umstrittene Abstimmung lag schon zu lange zurück.

"Dass man in den eigenen Reihen schwarze Schafe entdeckt, ist ein typisches Problem neuer Parteien, die binnen kurzer Zeit viele Positionen besetzen müssen", sagt Pretzell. "Im Bundestagswahlkampf sind uns einige Leute aufgefallen, da haben wir gedacht 'Um Himmels willen'", fügt er hinzu. Pretzell sagt: "Der Prozess des Aussiebens ist jetzt in einer Hochphase angelangt."

Ärger gibt es auch mit der AfD-Führung in Nürnberg. Der dortige Kreisvorsitzende Martin Sichert hatte sich nach Angaben Luckes in der Vergangenheit zu der Äußerung verstiegen, im 2. Weltkrieg hätten die "zwei größten Massenmörder gesiegt".

Im Oktober schockierte der Parteifreund Dirk Helms seine Kollegen bei einer AfD-Veranstaltung in Stockelsdorf nahe Lübeck. Laut einem Bericht der "Lübecker Nachrichten" sagte er, die Alliierten hätten die Gaskammern im Konzentrationslager Dachau nachträglich eingebaut. Helms wurde gedrängt, von seinem Parteiamt als Kreissprecher zurückzutreten.

Lucke stellte damals zu Sichert und Helms fest: "Solche Meinungen sind völlig untragbar. Sie werden in der AfD nicht geduldet." Eine Antwort auf die Frage, weshalb seine Partei eine so hohe Anziehungskraft auf Rechtsradikale und Revisionisten ausübt, bleibt der Parteichef allerdings schuldig. Es sagt: "Jeder, der bei uns ist, ist einer zu viel, aber die Zahl der Fälle liegt, wenn man unsere Mitgliederzahl von mehr als 21.000 betrachtet, im Promille-Bereich."

(dpa)
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