Von Straßburg bis Speyer Der lange Abschied von Helmut Kohl

Straßburg/Ludwigshafen/Speyer · Vom frühen Morgen bis zum Abend dauern die Trauerfeierlichkeiten für Helmut Kohl. Der Aufwand ist enorm. Hubschrauber, Schiffe und ein Fahrzeugkonvoi transportieren den Sarg. Seine letzte Ruhe findet der Altkanzler in Speyer.

Rund 14 Stunden dauert die letzte Reise von Helmut Kohl. Sein Eichensarg wird von Soldaten getragen, im Hubschrauber geflogen, auf dem Schiff und im Wagen gefahren, insgesamt wohl mehr als 250 Kilometer. Es ist ein großer internationaler Abschied - bis am Abend nur noch ein kleiner Kreis von Angehörigen und Freunden dabei ist, als der Sarg in Speyer in die Erde gesenkt wird.

Speyer: Pontifikalrequiem im Dom für Helmut Kohl
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Pontifikalrequiem im Speyerer Dom für Helmut Kohl

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Foto: dpa, axs

Der lange Trauertag beginnt gegen 7.00 Uhr in Ludwigshafen-Oggersheim, wo der Altkanzler am 16. Juni im Alter von 87 Jahren starb. Der Sarg wird mit Auto und Hubschrauber nach Frankreich gebracht.

In Straßburg wehen die Flaggen auf halbmast. Vorsichtig setzen die Offiziere des Wachbataillons der Bundeswehr den Sarg in der Mitte des EU-Parlaments ab. Er ist eingehüllt in die blaue Europa-Flagge mit den gelben Sternen. Das Uni-Orchester der Stadt stimmt den Trauermarsch von Georg Friedrich Händel an. Beim ersten Trauerakt der Europäischen Union sprechen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der französische Präsident Emmanuel Macron, der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton.

Merkel sagt über die Witwe Maike Kohl-Richter, sie habe den Altkanzler "voller Hingebung und Liebe begleitet bis zuletzt". Was es an Trennendem gab, tritt jetzt zurück. Merkel spricht die Witwe, die eine dunkle Brille und einen Trauerschleier trägt, persönlich an: "Ihnen gehört mein Mitgefühl!" Vor dem Sarg liegt der nur mit roten Rosen gesteckte Kranz der Witwe: "In Liebe — Deine Maike".

Am Stadtrand von Ludwigshafen setzt kurz nach 14.00 Uhr der Hubschrauber mit dem Sarg Kohls auf dem Gelände der Autobahnpolizei Ruchheim auf. Dort war Kohl als Kanzler oft auf dem Heimflug aus Berlin gelandet. Begleitet von weiteren Fahrzeugen fährt der Leichenwagen in Richtung Innenstadt. Dort stehen die Menschen am Straßenrand, um Abschied zu nehmen. Auch viele junge Leute sind gekommen, halten den historischen Augenblick mit der Handy-Kamera fest. Bei windigem Regenwetter bleiben die Menschenreihen am Straßenrand überschaubar, die Polizei schätzt, dass etwa 1000 gekommen sind.

Gesprächsthema unter den Wartenden ist das Zerwürfnis zwischen Kohls zweiter Frau Maike Kohl-Richter und dem Sohn aus erster Ehe, Walter.
Einige applaudieren und werfen Blumen in Richtung des Leichenwagens.
Am Rheinufer angekommen, wird der Sarg über eine eigens installierte Behelfsbrücke auf das Schiff "Mainz" getragen. Auf diesem Ausflugsschiff war Kohl 1990 mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand unterwegs gewesen.

In Speyer sind einige Hundert Menschen zur Anlegestelle gekommen.
"Danke Helmut", hat ein Mann mit roter Farbe auf ein weißes Leinentuch geschrieben, das er an einer Brücke aufgehängt hat. "Herzlich willkommen zurück in Speyer". In der pfälzischen Stadt gebe es viele, die über die hohen Kosten der Trauerfeier schimpften, sagt er. Doch Kohl habe die deutsche und europäische Einheit gebracht — und das könne man "gar nicht hoch genug hängen".

Um 18 Uhr beginnt das Requiem im Dom mit 900 geladenen Gästen. Maike Kohl-Richter nimmt an der Seite Clintons Platz. Die beiden Söhne Kohls aus erster Ehe, Walter und Peter, werden nicht gesehen. Aber Bischof Karl-Heinz Wiesemann bezieht sie in Begrüßung und Predigt mit ein.

Im Domgarten verfolgen 2500 Menschen vor einer Leinwand die Liveübertragung. Als erster ist Udo Spannenkrebs aus dem sächsischen Hohenstein-Ernstthal (Kreis Zwickau) eingetroffen. Er ist mit dem Motorrad nach Speyer gefahren, um Abschied vom Kanzler der Einheit zu nehmen: "Ich habe Helmut Kohl so viel zu verdanken: Ich bin frei geworden", sagt der 55-Jährige, der sich eine Deutschland-Fahne über seine Motorradjacke gelegt hat.

Als die Teilnehmer am Requiem aus dem Dom kommen, regnet es in Strömen. Ein Ehrenzeremoniell der Bundeswehr begleitet den Verstorbenen auf seinem letzten Weg. Das Musikkorps spielt die Nationalhymne und das "Lied vom guten Kameraden". Der Leichenwagen bringt den Sarg zur Beisetzung auf dem Friedhof des Domkapitels. Die Soldaten der Ehrenformation schultern ihr Gewehr und verlassen den Domplatz im Gleichschritt.

(wer/dpa)
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