Pleiten, Pech und Pannen der Genossen SPD wird den Grünen langsam unheimlich

Berlin · Nach den vielen Fehltritten Steinbrücks und Wowereits rücken die Grünen von ihrem Wunsch-Koalitionspartner vorsichtig ab.

Presse zu Steinbrück: "Hat der sie noch alle?"
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Foto: dapd, Maja Hitij

Am meisten erschrocken hat sich Kerstin Andreae über Peer Steinbrücks Pinot-Grigio-Satz. Er kaufe keine Flasche italienischen Grauburgunders "unter fünf Euro", hatte der SPD-Kanzlerkandidat unlängst zum Besten gegeben. Ihm fehle offenbar tatsächlich so etwas wie Einfühlungsvermögen in die SPD-Wählerklientel, sagt Andreae.

Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion ist eine typische Vertreterin des Realo-Flügels bei den Grünen, über die Kandidatur des früheren Bundesfinanzministers hatte sie sich gefreut. Doch der in der SPD als neuer "Genosse der Bosse" verdächtigte Steinbrück macht es selbst den Grünen-Realos nicht leicht. Zwar hatten sich die Grünen im Bund bereits weitestgehend auf eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD festgelegt, doch in den Abwärtsstrudel des Pannen-Kandidaten möchten sie jetzt nicht hineingezogen werden.

Vor der Klausur der Bundestagsfraktion diese Woche in Weimar wurden daher erste vorsichtige Absetzbewegungen erkennbar. In ihrer "Weimarer Erklärung" betonen die Grünen ihre Eigenständigkeit — zum Beispiel in der Energiepolitik. Anders als der frühere ThyssenKrupp-Aufsichtsrat Steinbrück werbe man nicht für noch mehr Entlastungen der Industrie bei den Strompreisen, sondern für weniger Ausnahmen für die Betriebe bei der Ökostrom-Umlage, sagt etwa Fraktionsvize Bärbel Höhn. Besonders deutlich wird die wachsende Distanz zwischen SPD und Grünen in den Ländern.

In Berlin wollen die Grünen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fast im Alleingang stürzen. Für Samstag haben sie ein Misstrauensvotum beantragt, um Wowereit für das Flughafen-Desaster in die Verantwortung zu ziehen. Als erster hatte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin Wowereit diese Woche den Rücktritt nahegelegt: "Das war's jetzt, Klaus", schrieb Trittin im Kurznachrichtendienst Twitter. Auch Renate Künast, neben Trittin Fraktionschefin im Bund, erklärte, Wowereit sei als Regierender "nicht mehr tragbar".

Schwingt bei den Hauptstadt-Grünen noch Enttäuschung über die von Künast gegen Wowereit 2011 verlorene Wahl mit, so klagen die Grünen in Baden-Württemberg umgekehrt über eine SPD, die sich nicht damit abfinden kann, nur Juniorpartner zu sein. Das gemeinsame Regieren in Stuttgart sei schwierig, beklagen die Grünen im Ländle. Während sie den Weiterbau des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 nach Bekanntwerden von Milliarden-Mehrkosten jetzt verhindern wollen, beharrt die SPD darauf.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat für Niedersachsen, wo am 20. Januar gewählt wird, schon mal eine neue Devise ausgegeben: "Jeder kämpft für sich."

(mar)
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