Gesetzesinitiative zu Bagatell-Delikten "SPD will Diebstahl legalisieren"

Düsseldorf (RP). Wenn Mitarbeiter ihr Handy am Arbeitsplatz aufladen oder den Keks aus dem Konferenzraum naschen, ist das ein Kündigungsgrund. Die SPD will diese Bagatell-Kündigungen verbieten. Union und Anwälte sind skeptisch.

Verwunderliche Kündigungs-Urteile
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Foto: ddp

Die SPD will Kündigungen aufgrund so genannter Bagatell-Delikte verbieten. Das sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Anette Kramme, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Demnach sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, bei kleineren Diebstählen und Vergehen zunächst dem Mitarbeiter eine Abmahnung auszusprechen. "Erst im Wiederholungsfall darf eine Kündigung in Betracht kommen." Auch der frühere SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz bezeichnete die Rechtslage als inakzeptabel. Im Januar will die SPD-Bundestagsfraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Anlass für die Initiative ist eine Reihe kontrovers diskutierter Kündigungen wegen vermeintlicher Bagatelldelikte. So hatte der Baugewerbeverband NRW Anfang Dezember einer Sekretärin nach 34 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt, weil sie eine Frikadelle und ein halbes Käsebrötchen von einem Büfett nahm. Wenige Wochen vorher entließ ein Seniorenheim eine 58-jährige Altenpflegerin, weil diese sechs Maultaschen — im Wert von unter fünf Euro — mit nach Hause nehmen wollte. Der Fall der Berliner Supermarkt-Kassiererin "Emmely", die zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen hatte und fristlos entlassen wurde, beschäftigte im Juli die Gerichte und die Öffentlichkeit.

In allen Fällen zeigten sich Richter indes hart. Die Kündigungen sind rechtens. Experten wundert das nicht. "Diebstahl ist Diebstahl. Egal, ob es sich um einen Keks oder eine Frikadelle handelt", sagt Christoph Böhmer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Düsseldorf. "Einem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, jemanden zu beschäftigen, der eine Straftat begangen hat." Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, die Kündigung folgerichtig.

Oft sei der bekannt gewordene Diebstahl auch "nur die Spitze des Eisbergs". In einem früheren Fall hatten Richter sogar einem Krankenhaus recht gegeben, das einem Mitarbeiter kündigte, weil dieser 17 Schlaftabletten entwendete, um — wie er vor Gericht beteuerte — wegen Mobbings Selbstmord zu begehen. "Gnade" zeigten Arbeitsgerichte in den vergangenen Jahren nur in Ausnahmefällen, etwa bei drei geklauten Briefumschlägen oder einem Joghurt mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum.

Die Richter lehnen den SPD-Vorstoß ab. "Ich halte das für Aktionismus. Eine Bagatellgrenze wirft mehr Fragen auf, als sie löst", sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arbeitsrichter, Joachim Vetter. Schon heute würden die Interessen von Arbeitgebern und Mitarbeitern abgewogen. Die Union sieht ebenfalls keinen Bedarf für eine Gesetzesänderung. "Das läuft auf eine arbeitsrechtliche Legalisierung von Diebstahl hinaus", kritisierte Unions-Fraktionsvize Günter Krings. Es gebe immer Möglichkeiten für den Arbeitgeber abzuwägen. Laut Arbeitgeberverband BDA beläuft sich der Schaden durch Diebstähle von Mitarbeitern alleine im Einzelhandel auf eine Milliarde Euro pro Jahr. Das bestehende Recht reiche aus, heißt es beim BDA. Auch künftig müsse ein Arbeitsverhältnis kündbar sein, wenn ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz eine Straftat begehe.

(RP)
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