Parteitag in Berlin SPD will deutsche Europa-Partei sein

Berlin · Mit scharfen Attacken gegen die Regierung und einem emotionalen Bekenntnis zu Europa hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier beim Parteitag in Berlin die SPD zur "deutschen Europapartei" erklärt.

 Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ringt um den richtigen Kurs in der Schuldenkrise.

Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ringt um den richtigen Kurs in der Schuldenkrise.

Foto: dapd, Axel Schmidt

Den Regierungsparteien warf er deutschnationale Tendenzen vor. Wenn CDU-Fraktionschef Volker Kauder in "schnarrendem Casino-Ton" sage, dass in Europa jetzt deutsch gesprochen werde, sei es nicht verwunderlich, dass die europäischen Nachbarn einen neuen "Größenwahn" in Deutschland fürchteten, rief Steinmeier in den Saal.

Und wenn Kanzlerin Merkel solche Worte durchgehen lasse, sage dies mehr als "tausend nichts sagende Regierungserklärungen". Er warf Merkel auch "Heuchelei" beim Euro-Krisenmanagement vor. Sie fordere andere Länder zum Sparen auf, während auch die deutschen Finanzen nicht in Ordnung gebracht seien.

Schmidt umjubelt

Zuvor hatte Alt-Kanzler Helmut Schmidt in einer umjubelten Rede die Solidarität der Deutschen für Europa angemahnt, vor einer Isolation Deutschlands und vor einem ökonomischenÜbergewicht der Deutschen in Europa gewarnt. Auch er griff die Regierungsparteien scharf an. Auch er verurteilte die Kauder-Äußerung als "deutschnational" und als "schädliche Kraftmeierei".

Bei der Parteilinken kam die Rede Schmidts, der zu seiner Amtszeit stets unter scharfer Kritik des linken Parteiflügels stand, gut an. "Helmut Schmidt hat gezeigt, was ein alter Sozi ist", sagte der Chef der Parlamentarischen Linken im Bundestag, Ernst-Dieter Roßmann unserer Redaktion. Er betonte: "Ich konnte mich mit der Rede voll und ganz identifizieren."

Auch die SPD ist nicht allwissend

Mit Lösungsvorschlägen zur europäischen Finanzkrise tut sich allerdings auch die SPD schwer. Bis zur letzten Minute verhandelten die Genossen hinter den Kulissen des Parteitags, wie stark die Rolle der Europäischen Zentralbank als Krisenmanagerin sein soll.

Steinmeier zeigte sich skeptisch gegenüber einer entscheidenden Rolle der EZB. Er setzt vielmehr auf Eurobonds und Schuldenschnitte. Als Herzstück des SPD-Antrags zu Europa bezeichnete er die Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung. Das Modell geht auf einen Vorschlag der Wirtschaftsweisen zurück. Demnach sollen Schulden, die über 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts eines Landes liegen, von dem gemeinschaftlichen Schuldenfonds aufgenommen werden.

"Dann muss es der Helmut machen"

Im Vorfeld des Parteitags hatten die Sozialdemokraten versichert, dass sie keine Casting-Show abhalten wollten nach dem Motto: Die SPD sucht den Super-Kanzlerkandidaten. Die 7500 Delegierten, Gäste und Medienvertreter debattieren am Rande des Parteitags, welcher der drei Kandidaten für die Kandidatur, Steinmeier, Parteichef Sigmar Gabriel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, den stärksten Eindruck macht und am meisten vom Parteitag getragen wird. Jenseits der Bühne wurde vielfach gewitzelt: "Dann muss es der Helmut machen."

Den erste Tag des dreitägigen SPD-Spektakels widmeten die Sozialdemokraten den großen Linien. Neben der Europa-Politik spielten der Kampf gegen den Rechtsextremismus und die Rolle der Demokratie die Hauptrolle.

Resolution zur Mordserie

Nach einer Rede des norwegischen Premier Jens Stoltenberg, dessen Land unter den Folgen des rechtsextremistischen Anschlags auf der Insel Utoya mit 94 Toten leidet, verabschiedeten die Sozialdemokraten eine Resolution zu der rechtsextremistischen Mordserie in Deutschland.

"Wir schämen uns für unsere Leichtgläubigkeit, weil wir selbst den hastigen Ausschluss rechtsextremer Motive nicht hinterfragten. Hierfür entschuldigen wir uns bei den Hinterbliebenen der Opfer", heißt es darin.

(pst)
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