Strategie-Konferenz in Berlin SPD will bis 2015 raus aus Afghanistan

Berlin (RPO). Die Bundeswehr soll sich nach dem Willen der SPD bis 2015 aus Afghanistan zurückziehen. "Es muss allen beteiligten Akteuren klar sein, dass unser Engagement ein zeitlich befristetes ist", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel auf der Afghanistan-Konferenz seiner Partei am Freitag in Berlin. Gabriel forderte US-Präsident Barack Obama auf, seine Zusagen für eine Stabilisierung des Landes einzuhalten.

2009: Gabriel zum neuen SPD-Chef gewählt
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Mit einer beschleunigten Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte soll dafür der Weg geebnet werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Mittwoch im Bundestag die neue Afghanistan-Strategie der Regierung vorstellen.

Gabriel verwies auf die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, ab Mitte 2011 mit dem Rückzug der Truppen aus Afghanistan zu beginnen. Es sollte "nicht nur bei der Ankündigung eines Abzugstermins bleiben", forderte der SPD-Chef. Für den Abschluss des Abzugs schlage die SPD "den Zeitkorridor 2013 - 2015" vor. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, die "Zahlen für den Korridor sind nicht vom Himmel gefallen", sondern solche, an denen sich die Afghanen selbst orientierten.

Gesamtverantwortung in fünf Jahren

Der scheidende afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta stellte auf der Konferenz eine Übernahme der Gesamtverantwortung durch sein Land innerhalb von fünf Jahren in Aussicht. Auch Spanta nannte als Voraussetzung dafür eine "gut ausgebildete und ausgerüstete Armee" mit einem Umfang von 172.000 Soldaten. Die Soll-Stärke der Polizei bezifferte er mit 134.000. Bislang gibt es nach ISAF-Angaben rund 100.000 einheimische Soldaten und 90.000 Polizisten.

Der US-Botschafter bei der NATO, Ivo Daalder, nannte bei der Konferenz das Jahr 2010 das "Jahr der maximalen Anstrengungen", damit Mitte 2011 der Abzug beginnen könne. Bis dahin wollen die USA ihre Soldaten nochmals um 30.000 aufstocken, die ISAF-Verbündeten um 7.000.

Gabriel betonte auch, dass die SPD eine Anhebung der Mandatsobergrenze von derzeit 4.500 Bundeswehrsoldaten für Afghanistan ablehne. Die verstärkte Ausbildung der afghanischen Armee könne "durch Umschichtung" bei den bereits entsandten Truppen erreicht werden. Die Zahl der Polizeiausbilder soll laut dem neuen SPD-Positionspapier verdoppelt werden.

Politiker von Union und FDP kritisierten den Abzugsplan der SPD scharf. Der CDU-Abgeordnete Christian Ruck erklärte: "Mit Überschallgeschwindigkeit wirft die SPD ihre staatspolitische Verantwortung über Bord." Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner nannte den Plan in der "Mitteldeutschen Zeitung" unverantwortlich. Damit gebe man den Taliban ein Signal, wie lange sie überwintern müssten, bevor sie an die Macht zurückkehren könnten.

Koalitionsberatungen über neues Konzept am Montag

Mit Spannung wird erwartet, ob die Bundesregierung vorhat, in ihrem neuen Konzept mehr Soldaten vorzusehen. Entscheidungen fallen voraussichtlich in einer Ministerrunde am Montagabend bei Merkel. Nach Auskunft von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nehmen daran Außenminister Guido Westerwelle, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Innenminister Thomas de Maizière und Entwicklungsminister Dirk Niebel teil. Das künftige deutsche Engagement wird Westerwelle am Donnerstag auch auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London erläutern.

Gabriel drängte die Koalition, endlich eine gemeinsame Afghanistan-Strategie vorzulegen. "Wer ohne eigene Strategie nach London reist, sitzt dort am Ende am Katzentisch", sagte er. Der SPD-Chef signalisierte Bereitschaft, die Afghanistan-Strategie der Bundesregierung mitzutragen - allerdings nur, wenn sie rechtzeitig offengelegt und mit der SPD diskutiert werde. Guttenberg schloss eine Anhebung der Mandatsobergrenze im ARD-Morgenmagazin ausdrücklich nicht aus.

Zahl der traumatisierten Soldaten fast verdoppelt

Die Zahl der vom Einsatz traumatisierten Soldaten hat sich trotz verstärkter Bemühung der Bundesregierung zur Verbesserung der psychischen Betreuung im vergangenen Jahr fast verdoppelt. "Wir haben insgesamt 466 Fälle im Jahr 2009, 418 davon in Afghanistan. Im Jahr 2008 hatten wir 245 Soldaten, die wegen einer Postraumtischen Belastungsstörung in Behandlungen waren", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur DAPD. Als PTBS bezeichnen Fachleute eine psychische Störung, die bei Menschen nach extremen Erfahrungen auftritt.

(apd/csi)
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