SPD-Wahlprogramm Ein einsamer Kampf

Berlin · Am Sonntag treffen sich 200 SPD-Delegierte, um das Wahlprogramm auf den Weg zu bringen. Parteichef Gabriel wird sich vielen Fragen stellen müssen. Im Vorfeld wurde hinter den Kulissen taktiert.

 Sigmar Gabriel Ende Mai in Meseberg.

Sigmar Gabriel Ende Mai in Meseberg.

Foto: Michael Kappeler

In der SPD herrscht Ruhe vor dem kleinen Bundesparteitag am Sonntag. Wer sich in den vergangenen Tagen bei führenden Genossen zum anstehenden Konvent im Willy-Brandt-Haus umhörte, gewann diesen Eindruck. Vorerst. Hinter verschlossenen Türen aber wird um Positionen und Formulierungen für das künftige Parteiprogramm gerungen, auch auf unüblichem Weg.

So soll NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die Mitglied des SPD-Präsidiums ist und sich in einem Jahr im Land zur Wiederwahl stellt, den zentralen Antrag zum "Solidarprojekt" der Partei gemäß ihren Vorstellungen geändert haben - ohne darüber Parteichef Sigmar Gabriel oder Generalsekretärin Katarina Barley zu informieren. Kraft, hieß es aus der Partei, habe den Antrag mit Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel abgestimmt und dann direkt der Antragskommission zugeleitet. Bisher liegt daher kein vom Parteivorstand abgesegneter Leitantrag zum "Solidarprojekt" vor. Ein Affront gegen die Parteispitze.

Die Debatten werden leiser

Schließlich ist das "Solidarprojekt" dem SPD-Chef heilig. Sigmar Gabriel will deutsche Bürger mit Milliardenhilfen unterstützen, damit kein Sozialneid in Zeiten teurer Flüchtlingshilfe aufkommt. Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Kitas sollen auch bei der hart arbeitenden Mitte der Gesellschaft verfangen. Die SPD als "linke Volkspartei" müsse die Mitte im Blick haben, betonte Gabriel in einer Rede vor der NRW-Landesgruppe der Fraktion. Auch Kraft war dort anwesend. Sie wolle aber im Wahlkampf stärker auf alle Menschen abzielen und nicht nur auf die Mitte, hieß es. Daher habe sie den Antrag passend zum künftigen NRW-Landeswahlprogramm gestalten wollen.

Der Vorgang zeigt exemplarisch, wie rücksichtslos in der SPD mittlerweile zwischen Parteispitze und Stellvertretern gerungen wird - und wie isoliert Gabriel mitunter dasteht. Dabei hatte sich das Präsidium, bestehend aus ihm und 13 weiteren hochrangigen Genossen, erst vor zwei Wochen in einer denkwürdigen Sitzung Zusammenhalt verordnet. Und tatsächlich war die Debatte um mögliche Alternativen zu Gabriel als Kanzlerkandidat im Jahr 2017 leiser geworden.

Beim Konvent wird jedoch erwartet, dass die 200 Delegierten auch auf dieses Thema zu sprechen kommen. Rund eineinhalb Stunden werden die geladenen Funktionäre Zeit haben, Gabriel nach dessen Rede mit schlechten Umfragewerten und einem Schlingerkurs in Sachfragen (beispielsweise zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP) zu konfrontieren. Dass es dabei aber zum Schlagabtausch kommen wird und sich turbulente Szenen wie beim Bundesparteitag im vergangenen Dezember wiederholen, scheint wenig realistisch. Schließlich sind die meisten Delegierten Landtagsabgeordnete oder Kreisverbandsvorsitzende, die es verstehen, taktisch klug zu agieren, das Bild einer geschlossenen Partei nach außen zu wahren.

Allerdings müssen sie das unter dem Eindruck schlechter Umfragewerte für Gabriel tun. Laut ZDF-"Politbarometer" würden nur 36 Prozent der Wähler eine Kanzlerkandidatur Gabriels gut finden, 55 Prozent wären nicht begeistert. Und auch bei den SPD-Anhängern bekommt Gabriel mit 49 Prozent keine Mehrheit. Merkel hingegen stieße als Kanzlerkandidatin auf 58 Prozent Zustimmung im Wahlvolk.

Es soll um Sachfragen gehen

Beim Konvent soll es aber vor allem um Sachfragen gehen, neben dem "Solidarprojekt" etwa um öffentliche Sicherheit, Bekämpfung von Steuerkriminalität und Förderung günstigen Wohnraums. Im Vorfeld hatten Vertreter des linken Parteiflügels gefordert, im Wahlprogramm einen höheren Spitzensteuersatz und die Wiedereinführung der Vermögensteuer zu verankern.

Bei der Linkspartei blieb das nicht ungehört. Linken-Chefin Katja Kipping sagte unserer Redaktion: "Teile der SPD haben ihren sozialen Kompass zum Glück nicht verloren und fordern die Parteiführung zu deutlichen Kurskorrekturen auf." Sie warb für Zusammenarbeit angesichts rot-rot-grüner Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat: "Ein parteiübergreifender Solidarpakt für soziale Gerechtigkeit wäre die richtige Antwort gegen die Politikverdrossenheit im Land." Die Chefin der Jusos, Johanna Uekermann, nutzte die Vorlage. "Wenn die Partei Die Linke nun auf uns zugeht, um mit uns einen Solidarpakt zu schaffen, bin ich für diese Kooperation." 2017 dürfe sich die SPD vor einer rot-rot-grünen Machtperspektive nicht verschließen. Gabriel hat ein Bündnis mit der Linkspartei bisher jedoch ausgeschlossen.

(RP)
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