Vorbild Einschläfer-Wahlkampf? SPD umgeht die Kanzlerin

Potsdam · Nachdem Angela Merkel mit einem Einschläfer-Wahlkampf an die Macht kam, will nun auch die SPD die gewohnten Kampagnen-Pfade verlassen und 2013 eine besonders schonen – die Hauptgegnerin.

SPD stellt Kompetenzteam zusammen
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Nachdem Angela Merkel mit einem Einschläfer-Wahlkampf an die Macht kam, will nun auch die SPD die gewohnten Kampagnen-Pfade verlassen und 2013 eine besonders schonen — die Hauptgegnerin.

Kurs Machtwechsel 2013. Darauf hat sich der SPD-Vorstand bei seiner Klausur in Potsdam mit Blick auf die Wahlkampfstrategie bis zur Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres eingeschworen. Das klingt nach Wahrnehmungsstörung. Denn trotz eines andauernden Halbzeit-Durchhängers der Regierung erscheint die derzeitige Opposition nicht als zwingende Alternative. Angela Merkel konnte den Vorsprung der Union noch auf sechs Prozentpunkte ausbauen.

Aber: Verglichen mit dem zeitlichen Abstand zur Wahl 2013 lag Kanzler Helmut Kohls Union im Januar 1997 sogar neun Prozentpunkte vor der SPD. Erst im April holte die SPD auf, und nach dem Landtagswahlsieg von Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder im März des Wahljahres schossen die Werte für die Partei des im Triumph gekürten Kanzlerkandidaten in die Höhe und trugen bis zum Sieg.

Daran orientiert sich die SPD heute wieder. Parteichef Sigmar Gabriel kam mit den beiden anderen potenziellen Kandidaten Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier überein, die "K-Frage" erst nach der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar 2013 zu entscheiden.

Auch dieses Mal hat — wie damals Schröder — der Amtsinhaber in Hannover gute Chancen auf eine Wiederwahl. Das ist dieses Mal David McAllister von der CDU, und SPD-Herausforderer Stephan Weil werden keine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt. Zudem ist fraglich, ob sich der seinerzeitige Slogan "16 Jahre Kohl sind genug", einfach auf "Acht Jahre Merkel sind genug" ummünzen lässt.

Jedenfalls spüren die SPD-Granden, dass sie an der Beliebtheit der Euro-Krisen-Kanzlerin nicht zu kratzen vermögen, sosehr sie sich auch anstrengen. Merkel wird in ihrem Agieren zudem immer "präsidialer" und scheint die moralische Lücke, die der anderweitig beschäftigte Bundespräsident gelassen hat, füllen zu wollen.

Dem trägt die SPD mit einer bemerkenswerten strategischen Grundsatzentscheidung Rechnung: Sie mag Merkel nicht mehr direkt bekämpfen. Es gehe für die SPD nicht "gegen andere", sondern "für ein besseres Deutschland", betonte Gabriel. Im Klartext: nicht gegen Merkel, sondern allenfalls gegen die Kapitalmärkte und die soziale Spaltung in Deutschland.

Mit dieser Strategie sei die SPD gut beraten, analyisiert Parteienforscher Karl-Rudolf Korte gegenüber unserer Zeitung. "Der Wahlkampf wird kein langer, sondern ein Multi-Optionswahlkampf", so Korte. In Zeiten des Gewissheitsschwundes orientierten sich die Wähler an Erfahrung, Sicherheit und Krisenkompetenz. Deshalb würden "Krisen-Stars der SPD" auch eine dominante Rolle spielen.

Als Merkel 2005 zum einschläfernden Kuschel-Wahlkampf ansetzte, kam eine große Koalition dabei heraus. Dass die SPD nun ihrerseits die Samthandschuhe für die Fehde mit Merkel bereitlegt, verunsichert die Grünen derart, dass sich Generalsekretärin Andrea Nahles genötigt sah, zügig zu versichern, dass Spekulationen über eine große Koalition "absurd" seien. Ziel bleibe Rot-Grün. 2005 klang das ähnlich.

(RP/csi)
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