Planspiele für den Bund SPD streitet offen über Rot-Rot-Grün

Berlin (RPO). Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl ist unter führenden Köpfen der SPD offener Streit über den künftigen Kurs der Partei ausgebrochen. Immer mehr Mitglieder fordern einen Linksruck und die Möglichkeit von Rot-Rot-Grün im Bund. Die SPD-Spitze hält noch dagegen, doch die Linke geht schon auf die Sozialdemokraten zu.

Wo das linke Lager nicht zusammenkommt
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Foto: ddp

"Die SPD muss Volkspartei bleiben", forderte der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der die SPD-Fraktion im neuen Bundestag anführen wird, laut Vorabbericht in einem Beitrag für die "Welt am Sonntag". Bei der Bundestagswahl habe seine Partei fast 1,4 Millionen Wähler an Union und FDP verloren.

"Wir haben sie nicht überzeugen können, dass die SPD heute auch für wirtschaftlichen Fortschritt steht." Zugleich müsse die Partei aber klarmachen, dass sie "die erste Adresse für soziale Gerechtigkeit" sei. Die SPD müsse sich als Volkspartei profilieren, "die die Spaltung der Gesellschaft in Resignierte und Abgehängte, in zornige Protestwähler und zynische Egoisten des individuellen Erfolgs verhindert."

Die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft nannte es unsinnig, sich jetzt im Handstreich von elf Jahren Regierungsverantwortung zu distanzieren. Es helfe nicht weiter, Reformen wie die Agenda 2010 und die Rente mit 67 pauschal über Bord zu werfen. "Eine solche Distanzierung würde uns kein Mensch ernsthaft abnehmen", sagte die NRW-Parteichefin dem "Focus".

Die SPD solle sich auf praktische Korrekturen konzentrieren, etwa auf flexible Übergänge in die Rente und eine Anhebung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger, sagte Kraft, die Parteikreisen zufolge ebenso wie der regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, als künftige Vize-Bundeschefin der SPD vorgesehen ist.

Auch der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie betonte, die Partei müsse breit aufgestellt bleiben. "Ein Linksruck hilft der SPD überhaupt nicht", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Die Linkspartei sei im Bund nicht koalitionsfähig. Sie betreibe Fundamentalopposition und sei "außen- wie europapolitisch nicht ernst zu nehmen".

Wowereit wirbt für rot-rot-grüne Option

Klaus Wowereit warb dagegen für eine programmatische Neuausrichtung der SPD. Nur so könne sie neue Glaubwürdigkeit gewinnen. Konkret plädierte er für eine Abschaffung der Rente mit 67 sowie für Korrekturen an den Arbeitsmarkreformen. "Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, muss auch länger das lohnbezogene Arbeitslosengeld I erhalten", forderte der Partei-Linke im "Tagesspiegel am Sonntag". Zudem müssten die Höhe des Schonvermögens und der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder überprüft und angepasst werden.

Mit Blick auf das Verhältnis zur Linkspartei plädierte Wowereit für ein Ende des Koalitionsverbots im Bund: "Es ist richtig, wenn die SPD sich auf ihrem Dresdner Parteitag Mitte November von dem Tabu trennt, wonach Koalitionen mit der Linkspartei für uns im Bund prinzipiell undenkbar sind." Diese Festlegung schade der SPD erheblich und müsse fallen. Ob es bei der nächsten Bundestagswahl tatsächlich Koalitionsmöglichkeiten mit der Linkspartei geben werde, müsse sich aber erst zeigen. Derzeit fehlten die inhaltlichen Übereinstimmungen in zentralen Feldern.

Linke kommt SPD bei Afghanistan entgegen

Der thüringische Linkspartei-Spitzenkandidat Ramelow signalisierte gegenüber der SPD bereits Entgegenkommen: Ramelow relativierte die bisherige Forderung seiner Partei nach einem sofortigen Bundeswehr-Abzug vom Hindukusch. "Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug aus Afghanistan. Das wäre eine Flucht wie damals aus Vietnam", sagte er der "Welt am Sonntag". Die SPD müsse sich aber über einen ehrlichen Zeitplan klarwerden. "Untersetzt man den Zeitplan mit mehr Militär, ist das mit uns nicht zu machen", sagte Ramelow. "Untersetzt man es mit mehr nachweislichem zivilem Engagement und dem stufenweisen Abzug, dann sind wir offen."

(RTR/sdr)
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