SPD-Spitzenkandidatin Barley will es noch einmal wissen
Brüssel/Berlin · Vor vier Jahren hatte sie ihr Amt als Bundesjustizministerin aufgegeben, um als Spitzenkandidatin der SPD nach Europa zu wechseln. Nun schickt die SPD Katarina Barley erneut als sozialdemokratisches Gesicht der EU ins Rennen.
Der Imagefilm mit klingenden Moselweingläsern, Zeitlupengang mit dem Kanzler und Handschlag mit dem Generalsekretär war längst fertig, als die SPD am Montag die 54-jährige Vizepräsidentin des Europa-Parlamentes, Katarina Barley, erneut als Spitzenkandidatin für die Wahlen im nächsten Juni nominierte. Beim ersten Mal vor vier Jahren holte ihre Partei mit ihr nicht einmal 16 Prozent; steht in Umfragen aktuell in Europa mit 19 noch besser da als im Bund mit 17 Prozent. Für eine Kanzlerpartei sind das dennoch bescheidene Werte.
Allerdings ist der Frau für viele Fälle bewusst, dass der traditionelle Trend wenig Rückenwind verspricht. Zur Halbzeit einer Kanzlerschaft stärken Wähler in Deutschland eher die Opposition. Viele befürchten, dass die AfD sehr stark werden könnte, wenn weder auf nationaler noch europäischer Ebene die Migrationskrise entschärft wird. Barley präsentiert sich dagegen als „entschiedene Gegnerin der Rechtsextremen“ und nimmt in jüngster Zeit immer wieder den Chef der christdemokratisch-konservativen EVP, Manfred Weber, und dessen Flirt mit Europas Rechtspopulisten ins Visier.
„Ich fühle mich als Europäerin“, sagt die SPD-Politikerin, die einen britischen Redakteur und eine deutsche Ärztin als Eltern hat, in Deutschland und Frankreich studierte, in Köln aufwuchs und in Trier zu Hause ist. Von ihrem Heimatdorf an der Mosel kann sie bequem auf eine deutsch-französisch-luxemburgische Radtour gehen. Ihre berufliche Tour führte über Stationen als Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Richterin in Trier, Justiz-Referentin in der Landesregierung in Mainz, SPD-Generalsekretärin, Abgeordnete, Familien- und Justizministerin in Berlin 2019 nach Brüssel und Luxemburg, wo sie eine von 14 EU-Vizepräsidentinnen wurde.
Schwer zu schaffen machte ihr die Verhaftung der Griechin Eva Kaili im letzten Dezember, weil sie nicht nur Amtskollegin im Präsidium, sondern auch Fraktionskollegin bei den Sozialdemokraten war. Damals stellte Barley fest, Kaili sei schon immer „der schräge Vogel“ gewesen. In Kailis Wohnung fand die Polizei Hunderttausende von Euro in bar, von denen die Politikerin nichts gewusst haben wollte. Barley gehörte zu den Abgeordneten, die scharfe Konsequenzen aus dem Korruptionsskandal forderten. Dies umso mehr, weil zu den Schwerpunkten ihrer Politik der Kampf gegen schwindende Rechtsstaatlichkeit und wachsende Korruption in Polen und Ungarn zählen.
Politische Beobachter sortieren Barley gemeinhin zu den stilleren Akteuren der Europa-Politik, wer jedoch genauer hinhört, kann Barley immer wieder wahrnehmen. Das ist auch unter Europas Sozialdemokraten erkannt worden, die derzeit noch nach einer Spitzenkandidatin auf europäischer Ebene suchen. Die frühe und einstimmige Nominierung des SPD-Präsidiums darf daher auch als Signal gewertet werden.