SPD im Umfragetief Gabriel sucht Rat bei Lafontaine

Saarbrücken · Katastrophale Umfragewerte, Rücktrittsgerüchte und dazu noch gesundheitlich angeschlagen. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist derzeit nicht zu beneiden. Nun sucht der Niedersachse offenbar ausgerechnet bei einem Politiker Rat, der in der SPD als unerwünschte Person gilt: Oskar Lafontaine.

Sigmar Gabriel (l.) trifft sich im Saarland mit Oskar Lafontaine.

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Im offiziellen Terminkalender von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht alles nach einem ganz gewöhnlichen Freitag aus. Vormittags Teilnahme am EU-Handelsministerrat in Brüssel. Um 18 Uhr spricht der Bundeswirtschaftsminister dann auf einem Industriekongress an der Völklinger Hütte im Saarland, ein ehemaliges Eisenwerk, das heute Industriedenkmal und Weltkulturerbe ist. Thema: "Wie wir mit Industrie Zukunft gewinnen."

Wovon nur wenige Personen im Umfeld des SPD-Vorsitzenden wissen, ist der Termin, der abseits des Auftritts im Saarland arrangiert wurde. Gabriel trifft mit dem früheren SPD-Chef und heutigen saarländischen Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine zusammen. Gabriel habe ein Gespräch angefragt, heißt es in SPD-Kreisen. Ein zwangloser politischer Austausch, ohne Tagesordnung. Ein zwangloses Treffen mit Lafontaine? Einfach so?

Die SPD-Pressestelle gab zu dem geplanten Treffen am Donnerstag keine Stellungnahme ab. Vielleicht auch, weil das Gespräch des aktuellen SPD-Chefs mit dem früheren SPD-Chef in der aktuellen Situation mehr Brisanz birgt, als es Gabriel lieb sein kann. Denn dass Gabriel ausgerechnet in dieser Phase — die Partei liegt bundesweit in Umfragen auf einem historischen Tief ­ — mit dem Intimfeind der Sozialdemokratie plaudern möchte, dürfte einige Genossen irritieren.

Der 72-jährige Saarländer ist auch 17 Jahre nach seinem Rücktritt als Bundesfinanzminister und seinem späteren Wechsel an die Spitze der Linkspartei eine "persona non grata" in der SPD, eine unerwünschte Person. Nicht wenige SPD-Funktionäre halten Lafontaines damaligen Abgang und seine Aufbauarbeit für die Linkspartei für den Beginn der Krise in der Sozialdemokratie. Einen "schmierigen Verräter" nannte das SPD-Mitglied Günter Grass Lafontaine vor drei Jahren. Und erntete dafür viel Beifall in der Sozialdemokratie.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht das offenbar etwas pragmatischer. Gabriel hat den Draht zu Lafontaine nie abreißen lassen. Intern soll sich der Niedersachse auch mehrfach dafür ausgesprochen haben, den Frieden mit Lafontaine zu suchen. Die rot-rot-grüne Option müsse die SPD aus strategischen Gründen immer im Blick haben, lautet Gabriels Credo. In unregelmäßigen Abständen, meist vertraulich und abseits der Öffentlichkeit, treffe Gabriel deshalb auch den Urvater der Linken.

Rückendeckung aus Saarbrücken

Als Gabriel vor wenigen Monaten ein "Solidaritätsprojekt" für die deutsche Bevölkerung vorschlug, bekam er prompt Rückendeckung aus Saarbrücken. "Es ist zu begrüßen, dass sich jetzt auch die SPD für mehr bezahlbaren Wohnraum, mehr Kita-Plätze und höhere Renten einsetzen will", ließ sich Lafontaine, der sonst kein gutes Haar an seiner früheren Partei lässt, zitieren.

Auch inhaltlich passt das Treffen in die Strategie des Vorsitzenden. Gabriel hat in den vergangenen Tagen das Thema "soziale Gerechtigkeit" wieder stärker in den Vordergrund seiner Reden gestellt. Die SPD müsse sich auf ihre Kernthemen konzentrieren, um aus dem Umfragetief wieder herauszukommen, ist Gabriels Umfeld überzeugt. Darüber will der SPD-Chef am 23. Mai auch mit der Führung der Partei sprechen.

Auf einer Klausurtagung des SPD-Präsidiums mit den SPD-Ministerpräsidenten sollen die Situation schonungslos analysiert und Konzepte für die kommenden Monate erarbeitet werden. Ein entkrampftes Verhältnis zur Linkspartei könnte dabei auch zur Sprache kommen. Der geplante Besuch bei Oskar Lafontaine könnte dann ja helfen.

(brö)