Gabriel und Nahles wollen Parteireform SPD reagiert auf Erfolg der Piraten

München (RPO). Am Samstag eröffnete die SPD-Parteispitze in München eine Tour durch die SPD-Landes- und Bezirksverbände. Vor rund 100 Delegierten warben Bundesvorsitzender Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles eindringlich für eine Reform der SPD-Parteistrukturen. Nicht zuletzt der Erfolg der Piratenpartei in Berlin lege Defizite der eigenen Partei offen, sagte der SPD-Bundesvorsitzende.

 Die SPD-Parteispitze wirbt in München für eine Parteireform

Die SPD-Parteispitze wirbt in München für eine Parteireform

Foto: ddp

In München betonte Gabriel, die SPD müsse als "linke Volkspartei" für ihre Verankerung in der Gesellschaft sorgen. Zu diesem Zwecke benötige die Partei vor allem die Mitarbeit von Menschen, die "etwas über die Alltagsrealität erzählen können". Gerade angesichts der Altersstruktur der Partei bestehe die Gefahr, den benötigten "Zugang zu allen gesellschaftlichen Gruppen" zu verlieren.

Erfolg der Piraten legt SPD-Defizite offen

Den Erfolg der Piratenpartei in Berlin führte Gabriel in einem Zeitungsinterview auf Defizite bei der SPD zurück. "Da engagieren sich Menschen für die parlamentarische Demokratie. Und sie tun das bei den Piraten, weil unsere Antworten ihnen nicht ausreichen", sagte Gabriel der Zeitung "Bild am Sonntag". "Also ist doch der Wahlerfolg dieser neuen Partei ein Grund, sich selbst Fragen zu stellen, statt deren Wähler oder Abgeordnete zu beschimpfen."

Gabriel sagte, er sei skeptisch, dass die Piratenpartei in den nächsten Bundestag einziehen wird. "Die Radikalität der Piraten mag vielen aktuell als spannend erscheinen", sagte er. "Wer die größte Volkswirtschaft Europas mit 80 Millionen Einwohnern regieren will, muss aber Konsens und Kompromiss organisieren. Nur das hält die Gesellschaft beisammen."

Reformierte Strukturen hätten Fehler verhindern können

Nahles verknüpfte eine Kritik an den Reformen der Agenda 2010 mit einer Werbung für die Parteireform: Mit einer reformierten Parteistruktur hätten in der Regierung Schröder begangene Fehler verhindert werden können, sagte sie. Gerade die SPD sei auf eine Einbindung der Bevölkerung angewiesen: Nur auf diesem Wege könne sich die Partei gegen Gegenwind aus "der Lobby und den Medien" durchsetzen.

Die geplante Reform der Parteistrukturen sieht unter anderem eine verstärkte Beteiligung der Parteimitglieder in Sach- und Personalfragen vor. So sollen Mitgliederbegehren und -entscheide erleichtert werden. Nichtmitglieder sollen über volle Beteiligungsrechte an parteiinternen Arbeitsgemeinschaften verstärkt eingebunden werden.

Ziel müsse es sein, "Nichtmitglieder zu Interessierten, und Interessierte zu Mitgliedern zu machen", sagte Gabriel. Die geplante Reform soll auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember in Berlin verabschiedet werden.

Gabriel warnt vor "Dominoeffekt"

Gabriel forderte in seiner Rede auch einen Ausbau der Bildungsbemühungen, eine stärkere Betonung des Wertes von Arbeit sowie eine finanzielle Besserstellung der Städte und Gemeinden. Kritik übte Gabriel insbesondere an der Bildungspolitik der Bundesregierung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er "Heuchelei" vor: Die Kanzlerin fordere einerseits eine bessere Ausbildung der eigenen Bevölkerung, streiche aber gleichzeitig Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose und Langzeitarbeitslose.

Mit Blick auf die Schuldenkrise Griechenlands warnte Gabriel vor einem "Dominoeffekt" und einer "Kernschmelze": Es sei zu befürchten, dass das Land den massiven Einschnitten zum Trotz die Konsolidierung nicht schaffe, und ein Schuldenschnitt nötig werde, betonte Gabriel.

Gerade aus diesem Grund sei der von der FDP in Frage gestellte Rettungsschirm unerlässlich. Es liege im "ureigenen Interesse" der Exportnation Deutschland, seinen Nachbarn zu helfen. Gabriel forderte "Investitionen in Wachstum", die nötigen Finanzmittel könne eine Umsatzsteuer für Börsenprodukte liefern.

Mut machte Gabriel den bayerischen Genossen mit Blick auf die Landtagswahl im Jahr 2013. Gabriel sagte, er sehe für die Bayern-SPD eine "historische Chance" bei der Wahl einen Machtwechsel im Freistaat herbeizuführen.

Explizit begrüßte er die geplante Spitzenkandidatur des derzeitigen Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude. Er wisse nicht, was die Partei mit einem Spitzenkandidaten Christian Ude an einem Wahlerfolg noch hindern solle, betonte Gabriel. Nirgendwo in Deutschland gebe es "so viele gute Gründe für einen Regierungswechsel wie in Bayern".

Volksentscheide über Zukunft des Euros

Gabriel spricht sich zudem für Volksentscheide über die Zukunft Europas und des Euros aus. Zu den aktuellen Plänen für Rettungsschirme solle es zwar keine Plebiszite geben, sagte Gabriel der Zeitung "Bild am Sonntag". Aber über grundsätzliche Fragen der Europapolitik solle das Volk in Zukunft direkt entscheiden.

Gabriel räumte ein, Volksentscheide seien schwierig und nicht immer erfolgreich. "Aber sie zwingen die politischen und wirtschaftlichen Eliten Europas dazu, das europäische Projekt wieder zu erklären, sich Mühe zu geben und dafür zu werben", sagte er.

Das Eliteprojekt Europa sei an seine Grenzen gestoßen. "Wir müssen die EU gründlich reformieren und sollten die Bürger anschließend darüber abstimmen lassen", sagte Gabriel.

(DAPD/top)
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