Positions-Papier zu Hartz IV SPD-Netzwerker wollen Sanktionen erhalten

Berlin · Der reformorientierte Flügel der Partei fordert ein Recht auf eine zweite Ausbildungszeit und lehnt das bedingungslose Grundeinkommen ab. Für die SPD-Vorstandsklausur am Freitag hat er ein vierseitiges Positionspapier zum Sozialstaat erarbeitet, das unserer Redaktion exklusiv vorliegt.

 SPD-Chefin Andrea Nahles hat eine innerparteiliche Debatte über die Reform des Sozialstaats eröffnet – am Freitag berät darüber der SPD-Vorstand in einer Klausur.

SPD-Chefin Andrea Nahles hat eine innerparteiliche Debatte über die Reform des Sozialstaats eröffnet – am Freitag berät darüber der SPD-Vorstand in einer Klausur.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die reformorientierten Netzwerker in der SPD-Bundestagsfraktion lehnen die komplette Abschaffung von Hartz-IV-Sanktionen und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger ab. Statt dessen solle in der Arbeitsversicherung ein Recht auf eine zweite Ausbildungszeit eingeführt werden. „Wir werden allen ein Recht auf eine zweite Ausbildungszeit zugestehen. Nicht nur nach der Schule, sondern auch lebensbegleitend, also zweimal drei Jahre“, heißt es in einem Positionspapier des Netzwerks für die SPD-Vorstandsklausur am Freitag.

Die Digitalisierung stelle Arbeitnehmer vor große Anforderungen. Deshalb gebe die SPD mit der Einführung des „Arbeitslosengeldes Q“ die richtige Antwort, das die Partei bereits im Bundestagswahlkampf entwickelt hatte. Es sieht vor, die Bezugsdauer des regulären Arbeitslosengeldes auf bis zu vier Jahre zu verlängern, wenn der Bezieher sich in dieser Zeit fortbildet.

Mit dem Papier unter dem Titel „Der Sozialstaat als Partner: vorsorgend, verlässlich und klar“ bezieht das Netzwerk in der innerparteilichen Hartz-IV-Debatte Stellung. Die Gruppe der reformorientierten SPD-Abgeordneten sieht sich politisch in der Mitte zwischen der Parlamentarischen Linken, die eine komplette Überwindung von Hartz IV fordert, und dem rechten Seeheimer Kreis, der eher weniger Änderungsbedarf sieht. Die stark unter Druck geratene Parteichefin Andrea Nahles hatte unlängst eine „Sozialstaatsreform 2025“ angekündigt und eine innerparteiliche Debatte angestoßen. Sie forderte die Abschaffung von Hartz-IV-Sanktionen für Jugendliche und die Umwidmung der Hartz-IV-Leistungen in ein „Bürgergeld“

Der Sozialstaat muss nach Auffassung der Netzwerker die würdevolle Arbeit in den Mittelpunkt stellen, statt Nichtstun zu bezuschussen. „Das bedingungslose Grundeinkommen ist für uns keine Lösung sozialer Fragen“, heißt es im Positionspapier. „Ob jemand jahrelang gearbeitet, Steuern und Abgaben gezahlt hat – oder das noch niemals getan hat, muss einen Unterschied machen.“ Das bedeute insbesondere erhöhte Anstrengungen bei Qualifizierung und Weiterbildung durch das Alg Q sowie einen besseren Schutz des bereits im Leben Erarbeiteten. „Selbstgenutztes Wohneigentum darf bei keiner Sozialleistung mehr angerechnet werden“, fordern die Netzwerker.

Insbesondere Langzeitarbeitslose bräuchten intensive Unterstützung durch den Ausbau des sozialen Arbeitsmarkts mit Jobs zum Tariflohn, nicht zum Mindestlohn. Bei Hartz IV müsse das Schonvermögen weiter erhöht werden. Das Sanktionsrecht bei Hartz IV müsse verändert werden. „Gibt es keinen triftigen Grund, warum Mitwirkungspflichten nicht eingehalten erden, muss Verhalten sanktioniert werden. Denn wer Leistungen erhält, muss auch mitwirken und sich anstrengen“, schreiben die Netzwerker. Sanktionen müssten jedoch zurückgenommen werden können und dürften nicht zu Obdachlosigkeit führen, „weshalb die Mietkosten nicht gekürzt werden dürfen. Jugendliche müssen dem gleichen Sanktionsrecht unterliegen wie Erwachsene.“ Die Zuverdienstmöglichkeiten zum Arbeitslosengeld sollen verbessert werden.

Kinder wollen die Netzwerker aus dem Hartz-IV-System herauslösen und für sie eine eigene Kindergrundsicherung einführen, indem den Eltern ein zu versteuernder Betrag ausgezahlt werden soll. Selbstständige und „langfristig auch Beamte und Abgeordnete“ will das Netzwerk in die Rentenversicherung einbeziehen.

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