Spargelfahrt des Seeheimer Kreises SPD muss sich bei Bootsfahrt selbst Mut zusprechen

Berlin · In Umfragen ist die SPD von der 20-Prozent-Marke immer noch weit entfernt. Parteichefin Nahles nutzt die traditionelle Spargelfahrt des Seeheimer Kreises deshalb, um den Genossen Mut zu machen. Am meisten Applaus erhält sie aber für eine Replik auf AfD-Chef Gauland.

 SPD-Chefin Andrea Nahles und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

SPD-Chefin Andrea Nahles und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Johannes Kahrs ist begeistert, er klatscht lange. Und das ist ungewöhnlich bei einer Rede von Andrea Nahles. Doch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises hat gerade in der Fraktion eine Rede der Partei- und Fraktionschefin gehört, die er „einfach nur geil“ findet.

In der Fraktionssitzung am Montag spricht ausgerechnet die ehemalige Frontfrau der SPD-Linken Nahles vielen sozialdemokratischen Funktionären aus dem Herzen. Man müsse nun endlich klare Entscheidungen treffen in der Migrationsolitik, bei der inneren Sicherheit, sagt sie. Man habe genug diskutiert. Selbst Sigmar Gabriel, Intimfeind von Nahles, spricht danach von einer „klasse Rede“. Es scheint fast, als wolle Nahles die SPD, die auch nach zwei Monaten an der Regierung in den Umfragen weit entfernt ist von der 20 Prozent Marke, zu einer strammen Gerhard-Schröder-Partei formen. Ab durch die Mitte als neue Devise.

Bei der traditionellen Bootsfahrt des Seeheimer Kreises am Dienstagabend auf dem Berliner Wannsee fällt der Applaus der Anwesenden dann auch üppig aus. Kahrs wiederholt seine Begeisterung für Nahles‘ Rede vor der eigenen Mannschaft, auch wenn der Hamburger Abgeordnete kurz danach den früheren Hamburger Bürgermeister und heutigen Finanzminister Olaf Scholz sinngemäß als den wahren Chef bezeichnet. Egal. Nahles hat ein Momentum geschaffen in der Fraktion.

Jetzt, an Bord der MS Havel Queen, bei Spargel aus der Region, ist sie sichtlich bemüht, den Genossen trotz mieser Umfragewerte Mut zuzusprechen. Die SPD habe das Kreuz durchgedrückt und sei in die Regierung mit der Union gegangen. „Das war nicht nur für unser Land wichtig, sondern für Europa“, sagt Nahles. Auf das „America first“ von US-Präsident Donald Trump müsse man mit „Europe United“ antworten, sagt sie und zitiert damit einen Satz von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

620 Gäste waren bei der 57. Spargelfahrt dabei, die der konservative Seeheimer Kreis nahezu jedes Jahr ausrichtet. Sie zählt zu den wichtigsten politischen Veranstaltungen in Berlin, Bordkarten sind sehr begehrt. Mehr als 80 SPD-Bundestagsabgeordnete sind auf dem Schiff, dazu die Kabinettsmitglieder Franziska Giffey (Familie), Svenja Schulze (Umwelt), Heiko Maas (Außen), Olaf Scholz (Finanzen) und Hubertus Heil (Arbeit) sowie die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig, der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und der frühere Parteichef Rudolf Scharping.

Den meisten Applaus erntet Nahles dann für ihre Replik auf die hetzerischen Sätze von AfD-Chef Alexander Gauland, der Hitler und die Nazis als „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" bezeichnet hatte. „Wir müssen dafür sorgen, Woche für Woche, dass der einzige Vogelschiss in dieser Republik die AfD ist“, sagt die Rheinland-Pfälzerin.

Doch Nahles, das ist seit Wochen spürbar, steht mächtig unter Druck. Sie ist in der schwierigen Lage, den Koalitionspartner kritisieren und gleichzeitig in der Fraktion Deals mit der Union eintüten zu müssen. Von der Spitze der Partei erwarten die Genossen zudem eine klare Profilierung und programmatische Neuaufstellung. Doch über all dem hängen bleiern Umfragewerte von weit unter 20 Prozent. Ein Aufwärtstrend ist nicht erkennbar.

Jetzt, das ist sowohl ihre als auch Scholz‘ Botschaft, wäre ein Schlingerkurs fatal. Und so betont auch der Vizekanzler, die SPD müsse wieder klar verstanden werden, ohne dass die Leute eine Zeile des Wahlprogramms kennen würden. Dann werde es auch wieder mehr Zustimmung und bessere Wahlergebnisse geben. Mut machen auf dem Wannsee, das hat mittlerweile auch schon Tradition bei den Seeheimern.

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