U-Bahn-Schläger SPD-Innensenator kritisiert Justiz wegen Haftverschonung

Berlin (RPO). Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat scharfe Kritik an der Haftverschonung für den 18-jährigen U-Bahn-Schläger geübt und damit für Empörung bei der Berliner Richterschaft gesorgt.

"Derartige Entscheidungen können dazu beitragen, das Recht von den Menschen zu entfremden", sagte Körting dem Berliner "Tagesspiegel" vom Freitag zur Freilassung des Gewalttäters bis Prozessbeginn. Es sei nach der Strafprozessordnung wegen der Schwere der Tat durchaus möglich, eine Haftunterbringung anzuordnen, auch wenn keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr vorliege, sagte der SPD-Politiker.

Der U-Bahn-Schläger hatte am frühen Karsamstagmorgen am Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße einen 29-jährige Berliner mit Fußtritten auf den Kopf schwer verletzt. Der Angreifer stellte sich später der Polizei. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen, er wurde allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der Richterrat des zuständigen Amtsgerichts Tiergarten in Berlin reagierte "mit Befremden und Empörung" auf Körtings Worte. Es sei "völlig inakzeptabel", dass sich der SPD-Politiker "in sachwidriger öffentlicher Richterschelte ergeht", erklärte das Gremium am Freitag. Möglicherweise sei der Innensenator "von Wahlkampfinteressen geleitet". Der Richterrat verwies darauf, dass Körting derzeit in Urlaubsvertretung seiner Parteikollegin Gisela von der Aue amtierender Justizsenator sei. Damit obliege ihm auch "Schutz und Fürsorge der Richterschaft".

Der Richterrat wandte sich gegen Körtings Hinweis, die Strafprozessordnung ermögliche hinsichtlich schwerer Taten ohne Weiteres auch eine Haftunterbringung. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Auslegung der Strafprozessordnung "schon vor Jahrzehnten für verfassungswidrig erklärt". Körting hätte aber als amtierender Justizsenator für eine Überprüfung der richterlichen Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft sorgen können, stattdessen rüge er öffentlich die Justiz. "Das ist ganz schlechter Stil", kritisierte der Richterrat den Innensenator.

In einer Erklärung hatten die Präsidenten von Kammergericht und Amtsgericht bereits am Mittwoch das Vorgehen des zuständigen Richters verteidigt. Er habe auf Grundlage von Recht und Gesetz entschieden und dürfe "nicht an den Pranger gestellt werden".

(AFP/sdr)
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