"Ost-Mentalität" SPD geht auf Distanz zu Gauck
Berlin · Bundespräsident Joachim Gauck eckt an. Diesmal kritisieren ihn SPD-Politiker wegen seiner Äußerungen zu staatlichen Subventionen für die Energiewende. Die Sozialdemokraten werfen dem Bundespräsidenten Oberflächlichkeit vor. Seine Haltung führen sie auf eine "Ost-Mentalität" zurück.

"Gauck wird auch nerven"
Gauck hatte sich am Dienstag kritisch zu staatlichen Subventionen im Zusammenhang mit der Energiewende geäußert. Besonderen Niederschlag in den Schlagzeilen fand in diesem Zusammenhang der Begriff "Planwirtschaft", den Gauck mit staatlichen Fördermitteln in Verbindung brachte.
"Es wird uns nicht gelingen, allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen. Schon gar nicht mit einem Übermaß an Subventionen", sagte Gauck zur Eröffnung der Woche der Umwelt. Es gebe keinen besseren Nährboden für Problemlösungen als eine Gesellschaft mit offenen Märkten und freiem Wettbewerb. Hintergrund: In der Energiepolitik gibt es insbesondere Streit über die Förderung der erneuerbaren Energien und der Solarbranche.
Nun die Replik aus der SPD: Gaucks Worte seien "oberflächlich", sagte die SPD-Umweltpolitikerin Ute Vogt der Zeitung "Die Welt" vom Mittwoch. "Der Bundespräsident beginnt offenbar, sich in die Umweltpolitik einzuarbeiten, aber da muss er noch etwas tiefer gehen."
Vogt stellte klar, sie halte Gaucks Kritik an der Förderung erneuerbarer Energien für nicht gerechtfertigt: "Ich erkenne dort weder Planwirtschaft noch ein Übermaß an Subventionen."
"Gauck kann das Thema nicht beurteilen. Seine Logik ist nicht haltbar", kritisierte auch der SPD-Umweltexperte Michael Müller. Er äußerte in der "Welt" die Vermutung, Gaucks Einschätzung hänge "wohl mit seiner Ost-Mentalität zusammen". Er habe deswegen "Angst vor der Planwirtschaft".
Die FDP spendete hingegen umgehend Lob für Gaucks Bekenntnis zur Marktwirtschaft. "Joachim Gauck formuliert die Herausforderungen der Energiewende sehr präzise", sagte Generalsekretär Patrick Döring der Nachrichtenagentur dapd. Mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien forderte der FDP-Politiker eine Überprüfung der Fördermechanismen.
"Wir müssen Subventionen zurückfahren, um die Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen im Rahmen zu halten". Die Kürzung der staatlichen Zuwendungen für die Solarindustrie nannte der Generalsekretär einen "ersten, notwendigen Schritt". Er hoffe, "dass die Unions- und SPD-geführten Bundesländer jetzt nach den mahnenden Worten des Präsidenten ihren Widerstand gegen diese notwendigen Reformen aufgeben", sagte Döring.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte zuvor ein "Stück weit mehr Ehrlichkeit" in der energiepolitischen Debatte verlangt. Der Vorwurf, es habe sich ein Jahr lang nichts Entscheidendes getan, sei "ein Pauschalurteil, das ich so nicht stehen lassen kann", sagte Rösler. Zugleich erteilte er höheren Subventionen für die Solarbranche eine Absage: "Das wird nicht funktionieren." Eine Mammutaufgabe wie den Umbau des Energiesektors könne man "nicht mit planwirtschaftlichen Maßnahmen leisten".
Gauck wird damit allen Prognosen gerecht, die in ihm einen unbequemen Präsidenten erwarteten. In seiner erst wenige Wochen alten Amtszeit hat er bereits mehrfach für innenpolitische Debatten gesorgt, zuletzt mit Äußerungen zum Islam in Deutschland und zur Staatsräson gegenüber Israel.
Zur "Woche der Umwelt" wurden rund 12.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien erwartet. Gut 200 von einer Jury ausgewählte Vereine, Initiativen, Firmen und Forschungseinrichtungen präsentieren Projekte und Produkte. In 80 Gesprächsrunden wird über Umwelt- und Klimaschutz diskutiert. Die "Woche der Umwelt" findet auf Einladung des Bundespräsidenten zum vierten Mal statt.
Kooperationspartner ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.