Nahverkehr für 365 Euro SPD fordert Jahresticket für einen Euro am Tag in ganz Deutschland

Berlin · Diskussionsstoff hat die SPD im Moment wahrlich genug: Vorsitzenden-Suche, Wahl-Schlappen, Zukunftsangst. Bei der Klausur der Bundestagsfraktion wird es nun auch inhaltlich. Unter anderem geht es um den Klimaschutz.

 Autos fahren am frühen Morgen über die Autobahn 40 in Essen, während eine Straßenbahn an einer Haltestelle hält.

Autos fahren am frühen Morgen über die Autobahn 40 in Essen, während eine Straßenbahn an einer Haltestelle hält.

Foto: dpa/Marcel Kusch

In der Diskussion um mehr Klimaschutz will die SPD-Fraktion im Bundestag die Preise für den öffentlichen Nahverkehr deutlich senken. „Wir wollen, dass jede und jeder flächendeckend mit Bus und Bahn zu bezahlbaren Preisen, egal ob in der Großstadt oder auf dem Land, unterwegs sein kann“, heißt es in einem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Kommunen sollten deshalb „bei der schrittweisen Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets“ unterstützt werden.

Interims-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte zum Auftakt einer zweitägigen Fraktionsklausur: „Ich glaube, es wird auf jeden Fall etwas kommen, was den öffentlichen Nahverkehr noch attraktiver macht als bisher.“ In einigen Städten wie Bonn und Reutlingen gibt es solche Nahverkehrs-Jahreskarten zum Preis von einem Euro pro Tag bereits.

In einem Papier, das die Fraktion am Freitag beschließen will, fordern die Sozialdemokraten auch mehr europäische Anstrengung für den Klimaschutz. So müsse das EU-Klimaschutzziel für 2030 angehoben werden, und zwar von 40 auf bis zu 55 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990. Auch Fliegen müsse europaweit wieder einen angemessenen Preis bekommen. „Alles das, was wir national beschließen, wird keine Zukunft haben, wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, es zusammen eben auch mit Europa (...) umzusetzen“, betonte Mützenich.

Deutschland muss aus Sicht der Fraktion in Europa insgesamt mehr Verantwortung übernehmen - und auch mehr Geld in die EU-Kasse zahlen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 wollen die Sozialdemokraten nutzen, um die EU in Sachen Klimaschutz und Steuergerechtigkeit, bei internationalen Beziehungen und in der Migrationspolitik voranzubringen. Fraktionsvize Achim Post sagte: „Statt einseitiger Sparpolitik und ewigem Klein-Klein braucht Europa eine mutige Zukunftsstrategie 2030, die Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Innovation verbindet.“ Nötig sei eine „Schubumkehr hin zu deutlich mehr nachhaltigen Zukunftsinvestitionen“.

Daneben fordert die Fraktion eine „Qualifizierungsoffensive“ für Deutschland. Unter anderem soll die Weiterbildung von Arbeitslosengeld- oder Grundsicherungsbeziehern verbessert werden. „Die Obergrenze für Weiterbildungsmaßnahmen von 24 Monaten muss in beiden Fällen endlich aufgehoben werden“, heißt es in einer Resolution der Fraktionsspitze, über die auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete.

Kurz nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen wollte die SPD-Fraktion auch die massiven Verluste ihrer Partei aufarbeiten. In Brandenburg hatte die SPD mit 26,2 Prozent zwar knapp vor der AfD gewonnen, aber historische Verluste erlitten. In Sachsen fiel sie auf 7,7 Prozent und fuhr damit das bundesweit schlechteste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte ein.

Diskutiert wurde zumindest am Rande auch über das am Vorabend gestartete Casting für den Parteivorsitz. Am Mittwoch hatten sich die Kandidaten in Saarbrücken erstmals der Parteibasis vorgestellt. Für eine Überraschung hatte dabei das Kandidatenduo Simone Lange und Alexander Ahrens gesorgt: Die Flensburger Oberbürgermeisterin und der OB von Bautzen zogen ihre Kandidatur zurück.

Die meisten Bewerber gingen in Saarbrücken mit Aufrufen zu mehr sozialer Gerechtigkeit und höherer Glaubwürdigkeit ins Rennen um den Vorsitz. Auch nach Auffassung fast der Hälfte der Wahlberechtigten sollte die SPD politisch mehr nach links rutschen. Im neuen ZDF-„Politbarometer“ gaben 44 Prozent aller Befragten und 45 Prozent aller SPD-Anhänger an, die Partei solle mehr linke Positionen vertreten. Weniger linke Positionen wünschten sich 21 Prozent der Wahlberechtigten beziehungsweise 16 Prozent der SPD-Anhänger. Keine größeren Änderungen wollen 25 beziehungsweise 32 Prozent.

In der Frage, ob die Sozialdemokraten in der großen Koalition mit der CDU/CSU bleiben soll, sind die Befragten gespalten. Die Hälfte sieht die SPD in der Opposition besser aufgehoben, unter den Anhängern der SPD sind es ebenfalls 45 Prozent. Die Mehrheit (72 Prozent) rechnet trotzdem damit, dass die große Koalition bis zur regulären nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 weiterregieren wird.

(zim/dpa)
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