Zitterpartie für Martin Schulz Die Groko-Gegner in der SPD formieren sich

Berlin · Die Sozialdemokraten befinden sich in einer Zerreißprobe. Die Stimmung gegen eine Neuauflage der großen Koalition im Bund ist mächtig. NRW-SPD-Chef Groschek mahnt zur "Nachdenklichkeit".

Auf ihn kommt es in den kommenden Tagen an: NRW-SPD-Chef Michael Groschek.

Auf ihn kommt es in den kommenden Tagen an: NRW-SPD-Chef Michael Groschek.

Foto: dpa, fg tba

Die Sozialdemokraten sind in der Frage, ob sie eine große Koalition eingehen sollen, tief gespalten. Selbst führende SPD-Mitglieder äußerten Skepsis oder forderten Nachbesserungen am Sondierungskompromiss vom Freitag. In dem kleinen Landesverband Sachsen-Anhalt setzte sich am Wochenende der linke Parteiflügel durch. Obwohl Ex-Parteichef und Außenminister Sigmar Gabriel wortgewaltig für eine Neuauflage der großen Koalition geworben hatte, lehnten die Delegierten bei einem Landesparteitag mit der Mehrheit von einer Stimme die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene ab.

Alles scheint offen

Die Hürden für die SPD, sich an einer Regierung zu beteiligen, waren noch nie so hoch wie aktuell. Am kommenden Sonntag soll ein Bundesparteitag in Bonn darüber abstimmen, ob die Sozialdemokraten offiziell in Koalitionsverhandlungen mit der Union eintreten dürfen. Ein möglicher Koalitionsvertrag soll noch einmal allen Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt werden.

Ob die SPD-Führung das Mandat für Koalitionsverhandlungen erhält, ist offen. Die Jusos machen mit aller Kraft gegen eine Neuauflage der großen Koalition bundesweit Stimmung. Auch viele führende Sozialdemokraten äußerten sich skeptisch. So brachte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erneut eine Minderheitsregierung ins Spiel. Sie sei der Meinung, "dass es gute Gründe für eine Minderheitsregierung gibt", sagte sie dem "Tagesspiegel". Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller wollte Neuwahlen im Bund nicht ausschließen und beklagte mit Blick auf die Sondierungsbeschlüsse: "Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht."

Der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Michael Groschek schickte eine "Bitte um Nachdenklichkeit" an die Groko-Gegner in seiner Partei. Man soll das Sondierungspapier doch bitte in Ruhe lesen, sagte er bei einem Neujahrsempfang seiner Partei in Düsseldorf. Es gebe zwar nicht "einen Siegerpokal wie den Mindestlohn vor vier Jahren, aber dafür viele Medaillen", betonte Groschek. Es seien für zahlreiche Menschen Verbesserungen vereinbart, die man diesen nicht vorenthalten dürfe. Die Äußerung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der im Zusammenhang mit den Groko-Gegnern von einem "Zwergenaufstand" in der SPD gesprochen hatte, wies Groschek zurück. Der SPD-Landeschef erklärte in Richtung der Gegner einer großen Koalition bei Union und SPD, man möge doch "bitte nicht in wechselseitige Schnappatmung verfallen".

Juso-Mitglieder verteilten am Sonntag bei einer Parteiveranstaltung in Düsseldorf-Flingern diese Postkarten. Der Spruch stammt von der 2001 verstorbenen Regine Hildebrandt.

Juso-Mitglieder verteilten am Sonntag bei einer Parteiveranstaltung in Düsseldorf-Flingern diese Postkarten. Der Spruch stammt von der 2001 verstorbenen Regine Hildebrandt.

Foto: Jens Uwe Ruhnau

In der NRW-SPD gibt es weiterhin großes Unbehagen. Bei einem Treffen des erweiterten SPD-Landesvorstands am Samstag seien die zahlreichen Wortmeldungen überwiegend negativ ausgefallen, sagten Teilnehmer. Es sei keinesfalls klar, dass es am Ende eine Mehrheit in der Landespartei für Koalitionsverhandlungen gebe.

SPD-Chef Martin Schulz will nun auf die Kritiker der großen Koalition zugehen. "Ich kann die Skeptiker in unseren Reihen gut verstehen", sagte er. Zugleich kündigte er an, die Delegierten beim Parteitag nächsten Sonntag durch Inhalte überzeugen zu wollen. Als Erfolge der Sondierung mit der Union nannte er unter anderem die Europapolitik, die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, die paritätische Finanzierung der Krankenkasse, massive Investitionen in Bildung und Kommunen sowie die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik.

(qua)
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