Marode Bundeswehr SPD attackiert von der Leyen

Berlin · Die Sozialdemokraten nutzen die Probleme der Verteidigungsministerin zu Stänkereien. Dabei liegt die Ursache vieler Probleme Jahre zurück.

 Verteidigungsministerin von der Leyen gerät angesichts der Probleme der Bundeswehr zusehends unter Druck.

Verteidigungsministerin von der Leyen gerät angesichts der Probleme der Bundeswehr zusehends unter Druck.

Foto: afp, mjh hpl

In kriegerischen Auseinandersetzung spricht man von "friendly fire", wenn einen irrtümlich Kugeln der eigenen Truppen treffen. Die verbalen Geschosse, mit denen die SPD gerade in Richtung des eigenen Koalitionspartners gegen Ursula von der Leyen zielt, treffen die Verteidigungsministerin allerdings nicht irrtümlich. Vielmehr haben sich die Sozialdemokraten gerade eingeschossen auf die CDU-Politikerin, die ihnen einst die Familienpolitik streitig machte und nun im Verteidigungsressort auf einer harten Bewährungsprobe steht. Es gilt: Wenn die das schafft, kann die auch Kanzlerin - für die SPD keine verlockende Aussicht.

Seit die Bundeswehr spontaner und vielfältiger mit Material und Einsatz im Ausland gefordert ist, gibt sie ein schlechtes Bild ab. Von der Leyen musste am Wochenende einräumen, die Mängel so groß, dass die Bundeswehr ihren Nato-Verpflichtungen nicht nachkommen könne.

SPD-Vizechef Torsten Schäfer-Gümbel holzte gestern nach einer Schaltkonferenz des SPD-Präsidiums ordentlich los. "Ich sehe Frau von der Leyen ständig auf Fotoreisen", stänkerte er. Er riet ihr, "ein bisschen weniger Fototermine zu machen und sich mehr mit dem Handwerk zu beschäftigen". Im Ton etwas milder, in der Sache ebenso kritisch betonte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: "Die Verteidigungsministerin muss jetzt Managementqualitäten beweisen und die Bundeswehr mit den vorhandenen Mitteln fit machen."

Die Anwürfe gegen von der Leyen sind wohlkalkuliert. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel lästerte kürzlich in einer Fraktionssitzung über die Kabinettskollegin, dass diese wohl auch noch im Kopierraum ihres Ministeriums das Kinn recke, falls sie fotografiert werde.

Aus der CDU kam prompt Rückendeckung für die Ministerin. Man könne das Ganze nicht bei von der Leyen abladen, sagte CDU-Vizechef Volker Bouffier. Auch die Kanzlerin stellte sich auf von der Leyens Seite. Es sei richtig, die Probleme der Bundeswehr offen aufzuzeigen und anzugehen, wie es von der Leyen tue, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Alle Projekte, mit denen von der Leyen nun kämpft, wurden von ihren Vorgängern angestoßen. Die Zeitspanne zwischen Kaufabsicht und Einführung ist so groß, dass sie teils Jahrzehnte zurückreicht. Für den Kampfhubschrauber "Tiger" wurde der Anforderungskatalog sogar bereits 1984 vorgelegt; der damals amtierende Minister Manfred Wörner (CDU) ist 1994 verstorben. Der "Tiger" sollte 2002 ausgeliefert werden, schließlich wurde es 2010.

Die Verantwortung für die Mängel bei der Ausrüstung und den großen Projekten kann man der Ministerin also nicht zuschieben. Allerdings hat sie vollmundige Versprechungen gemacht, bevor ihr das Ausmaß des Desasters klar war. Somit trifft die Foto-Kritik der Sozialdemokraten zumindest in Teilen einen wunden Punkt. Auch ein Ausflug mit der Boulevard-Presse und Frauenmagazinen ans Horn von Afrika und in den Libanon hatte ihr viel Kritik über ihre Inszenierung eingebracht.

Am Ende wird sie wohl daran gemessen werden, ob sie das Material-Chaos bei der Bundeswehr in den Griff bekommt. Die Reihe der Verteidigungsminister, die in Schwierigkeiten gerieten, ist lang. Von der Leyens viel gelobtem direkten Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) wird angelastet, die Anschaffung der Drohne "Euro Hawk", für die es keine Luftfahrt-Zulassung gab, nicht rechtzeitig gestoppt zu haben. Mindestens 250 Millionen Euro soll dieses peinliche Pleite-Projekt verschlungen haben.

Ursula von der Leyen zu Besuch im Kosovo
9 Bilder

Ursula von der Leyen zu Besuch im Kosovo

9 Bilder

Rüstungsskandale begleiten die Bundeswehr seit ihrer Gründung. Da moderne Waffensysteme immer komplexer werden, hat sich über die Jahre das Problem ausufernder Kosten und nicht zu haltender Liefertermine verschärft. Der Militär-Airbus als Ersatz für die ein halbes Jahrhundert alte "Transall" sollte schon 2008 in Serie gehen, aber es gab immer neue Verzögerungen. Vielleicht erhält die Bundeswehr nun Ende des Jahres das erste Exemplar.

Der Airbus A 400 M verdeutlicht, dass vorrangig nicht die Wehrhaftigkeit der Nation, sondern die deutsche und europäische Rüstungsindustrie inklusive ihrer Arbeitsplätze gestützt werden sollen. Die Politik reagiert ausgesprochen großzügig auf nicht eingehaltene Lieferzeiten. Um der eigenen Industrie zu helfen, werden im Zweifelsfall Waffensysteme quasi noch einmal erfunden, die schneller und preiswerter zum Beispiel bei den Amerikanern zu beschaffen wären - wie das Transportflugzeug C-17 "Globemaster" oder der Kampfhubschrauber "Apache".

Von der Leyen wird nun intern Druck machen müssen, damit die großen Projekte, die den Wehretat blockieren, schnellstmöglich abgewickelt werden. Dazu muss sie auf Transparenz im Bundeswehr-Apparat beharren, der die gefährliche Tendenz hat, Missstände zu verschleiern. Bei kommenden Beschaffungen muss und wird sie aus den alten Fehlern zu großzügiger Verträge lernen. Zudem gilt es dem fatalen Eindruck entgegenzuwirken, dass die gesamte Bundeswehr schrottreif sei und ihre Aufträge nicht mehr erfüllen könne.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort